- Die meisten Infektionen im Spital entstehen, wenn körpereigene Bakterien ins Körperinnere gelangen.
- Sogar antibiotikaresistente Keime lassen sich bei vielen Menschen in und um die Nase und beispielsweise in der Leistengegend nachweisen.
- Die zwei besten Möglichkeiten, Spitalinfektionen einzudämmen, sind: ständige Handhygiene des Personals und keinerlei Fehler in der Handhabung, ob im Operationssaal oder in der Pflege.
Mehr zu Spitalinfektionen
Wenn es um Krankenhausinfektionen geht, springt prompt das Kopfkino an: Pflegepersonal, das einen Patienten nach dem anderen pflegt, ohne dazwischen ordentlich die Hände zu waschen. Das Operationsbesteck, das nicht ausreichend steril zum Einsatz kommt. Der Mitpatient, der erst in seine vorgehaltene Hand hustet, um dann mit dieser die Tür zu öffnen.
All das sind mögliche Ansteckungsszenarien. Was fehlt, ist die wirkliche Hauptperson. Und die, pardon, sind Sie selbst. Wenn Sie sich jetzt verlegen an der Nase kratzen, sind Sie direkt an einem der Tatorte: Denn an und in der Nase fühlen sich besonders viele Erreger wohl, mit denen Sie sich selbst infizieren können. Staphylococcus aureus beispielsweise bewohnt bei fast einem Drittel aller Menschen die Schleimhäute und Haut in und um die Nase – manche der Stämme sind antibiotikaresistent, besser bekannt als MRSA. Auch die Leistengegend ist ein Hotspot für Bakterien.
Keime ins Körperinnere zu befördern ist gefährlich
Das ist an sich noch kein Problem. Jeder Mensch trägt Milliarden Bakterien auf und in sich, ihre Masse macht bis zu zwei Kilogramm aus – darunter sind auch potenziell gefährliche und resistente. Wird beispielsweise im Zuge einer Operation beatmet, können mit dem Beatmungsschlauch auch Bakterien tiefer in die Atemwege befördert werden, wo sie normalerweise gar nicht hingelangen.
Bei einer schlechten Zahngesundheit ist dieses Risiko nochmals deutlich erhöht – mitunter so stark, dass manche Ärzte chirurgische Eingriffe wenn möglich verweigern, bis die Zähne saniert sind. Mögliche Folge einer solchen Bakterieninvasion: die Lungenentzündung. Beim Einführen eines Herzkatheters über die Leiste können beispielsweise Bakterien in die Blutbahn geraten und zur Blutvergiftung führen.
20 Prozent der Infektionen wegen Blasenkatheter
Auch beim Einführen eines Blasenkatheters können Erreger, mitunter auch solche aus dem Darm, tiefer in den Urinaltrakt gelangen und Blasenentzündungen hervorrufen – ein Fünftel aller Spitalinfektionen entstehen so. Mit jedem Tag mit Katheter nimmt das Risiko zu.
Bei 25 bis 30 Prozent der Spitalinfektionen wiederum handelt es sich um entzündete Operationswunden, sehr häufig durch Keime der umliegenden Haut. Oder Bakterien gelangen, beispielsweise mit künstlichen Hüftgelenken, noch tiefer in den Körper. «Wichtig ist, bei Operationen mit dem Implantat keinen Hautkontakt zu haben, denn das kann auch wieder eine potenzielle Kontamination verursachen», sagt Näder Helmy, Chefarzt der Orthopädie des Bürgerspitals Solothurn. Dort kam es zu auffällig hohen Infektionszahlen, die nun mit verschiedenen Massnahmen gesenkt werden sollen.
Mitgebrachte Keime sind das grössere Problem
Eine Krankenhausinfektion aufzugabeln bedeutet also nicht automatisch, Keime des Krankenhauses aufzulesen, sondern lediglich, dass eine Infektion nach Eintritt ins Spital neu auftritt.
Infektionen werden sich im Spital nie zu 100 Prozent vermeiden lassen. Besonders auf der Intensivstation sind sie häufig, wo anfällige Patienten liegen, an denen zusätzliche Eingriffe zur Diagnose und Therapie vorgenommen werden müssen - jede einzelne von ihnen eine potenzielle Eintrittspforte für Erreger. Und je länger der Klinikaufenthalt, desto grösser die Chance auf eine Spitalinfektion.
Ein Drittel der im Spital erworbenen Infektionen könnten durch entsprechende Hygienemassnahmen verhindert werden.
«Rund ein Drittel der im Spital erworbenen Infektionen könnten durch entsprechende Hygienemassnahmen verhindert werden. Das ist sehr viel», findet Erika Ziltener von der Patientenstelle Zürich. Manchmal lassen sich Fehler in der Handhabung aufspüren, denn Handlungsabläufe im Spital sind so heikel wie kaum an einem anderen Ort: Schon wenn der Blasenkatheter beim Einführen die Bettdecke streift oder das neue Hüftgelenk im OP mit der Haut des Patienten in Kontakt kommt, kann das Folgen haben.
Handhygiene bringt am meisten
Auch wenn der Mensch sich selbst seine gefährlichste Infektionsquelle ist, ständige Handhygiene des medizinischen Personals könnten die Zahlen weiter drücken. Übertragungen von Patient zu Patient kommen praktisch nur über Fehler in der Handhygiene des Personals vor.
Strikte Einhaltung der Hygienemassnahmen, betet Orthopäde Näder Helmy seinen Kollegen deshalb ständig vor. «Ich finde es nicht lustig, meinen Mitarbeitern ständig zu sagen: Macht das! Damit macht man sich natürlich nicht nur beliebt», gibt er zu – aber medizinische Vorgesetzte, die mit gutem Beispiel vorangehen, sind das beste Druckmittel für das ganze Team, zeigen Studien.
Hygiene im Wandel der Zeit
-
Bild 1 von 16. Hygieia. Der Begriff «Hygiene» leitet sich vom Namen der griechischen Göttin der Gesundheit ab. Verehrt wurde Hygieia gemeinsam mit ihrem Vater Asklepios, dem Gott der Medizin, in Tempeln mit einem runden Gebäude im Zentrum. Hier waren Schlafplätze für die Kranken vorbereitet, da Asklepios seine Heilungsmethoden nur im Traum offenbarte. Bildquelle: Sandstein.
-
Bild 2 von 16. Hygienische Standards. waren bei medizinischen Behandlungen bis vor relativ kurzer Zeit kein Thema. Operationen wurden mit ungereinigten, gelegentlich mit Urin abgespülten Instrumenten vorgenommen. Auch der Sauberkeit der Bekleidung oder Bettstätten wurde keine Bedeutung zugemessen. Wer eine Amputation überlebte, ging danach häufig an einer Infektion zugrunde. Bildquelle: imago.
-
Bild 3 von 16. Die Miasma-Theorie. vertrat die Ansicht, dass Krankheiten durch «schlechte Ausdünstungen» (Miasmen) übertragen würden. Dem wurde durch Räucherungen, Versprühen von stark riechenden Substanzen und dem Beträufeln von Wunden mit Öl oder Essig entgegengewirkt. Und man setzte sich bewusst starkem Tabakrauch aus, da ihm reinigende Wirkung zugeschrieben wurde. Bildquelle: imago.
-
Bild 4 von 16. Die Quarantäne. ist eine Erfindung der Venezianer, um sich 1377 vor der Pest zu schützen: Verdächtige Personen mussten 40 (quaranta) Tage vor der Lagune warten. Das Prinzip kam zum Beispiel auch 1884 an der italienisch/schweizerischen Grenze zum Einsatz: Reisende aus der Schweiz hatten fünf Tage lang auszuharrren, bis klar war, dass sie frei von Cholera sind. Bildquelle: imago.
-
Bild 5 von 16. Antoni van Leeuwenhoek (1632-1723). war davon überzeugt, dass es Lebewesen gibt, die von blossem Auge nicht zu sehen sind. Der niederländische Kaufmann nutzte seine Kenntnisse der Optik, schliff Glaslinsen und baute das erste Mikroskop. Bildquelle: imago.
-
Bild 6 von 16. Durch sein Mikroskop machte er eine Vielzahl biologischer Entdeckungen (beispielsweise das Aussehen der weissen und roten Blutkörperchen) und bereitete mit seiner Erfindung der Erforschung der Mikroorganismen den Weg. Bildquelle: imago.
-
Bild 7 von 16. Ignaz Philip Semmelweiß (1818-1865). gilt als eigentlicher Begründer der modernen Hygiene. Der «Retter der Mütter» erkannte den Zusammenhang zwischen Kindbettfieber und sauberen Händen und bewies als erster, dass Händewaschen eine wirksame Vorbeugung auch gegen andere Infektionserkrankungen ist. Bildquelle: imago.
-
Bild 8 von 16. 1847 führt Semmelweiß am Wiener Klinikum Handwaschungen mit Chlorkalk-Lösungen ein, was die Müttersterblichkeit drastisch senkt. Lange hält der Erfolg aber nicht an: Sein Vorgesetzter hängt einer anderen Theorie an und ist gänzlich anderer Ansicht, was Semmelweiß schliesslich die Klinik verlassen lässt. Bildquelle: imago.
-
Bild 9 von 16. Sir Joseph Lister (1827-1912). hatte als Professor für Chirurgie an der Universität von Glasgow häufig mit Wundfieber zu tun. Er kam zur Hypothese, dass die Luft mit krankmachenden Mikroben beladen sein müsse – und dass es gelte, diese von Wunden fernzuhalten. Er macht die antiseptische Wundbehandlung mit desinfizierenden Karbolsäuren und den Einsatz von Karbolspray populär. Bildquelle: Imago.
-
Bild 10 von 16. Mittels einer speziellen Apparatur konnten Geräte, Instrumente und ganze Räume mit einer Mischung aus Wasserdampf und Karbolsäure desinfiziert werden. Bildquelle: imago.
-
Bild 11 von 16. Der Karbol-Hype trug auch seltsame Früchte. So versprach etwa Carbolic Smoke Ball Co. jedem Anwender einen hohen Geldbetrag, der trotz Karbonrauch-Balls an Grippe erkrankt. Was natürlich geschah. Die Firma weigerte sich erst, das Versprechen einzulösen, wurde dazu aber gerichtlich verdonnert. Was schliesslich zum Konkurs des Unternehmens führte. Bildquelle: imago.
-
Bild 12 von 16. Robert Koch (1843-1910). gilt als Begründer der modernen Bakteriologie, 1876 wies er den Erreger des Milzbrands nach, 1882 isolierte er den Auslöser der Tuberkolose, 1883 den Cholera-Erreger. Seine Grundthesen zur bakteriellen Infektion haben bis heute Gültigkeit. Für seine Arbeiten erhält er 1905 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Bildquelle: imago.
-
Bild 13 von 16. Das Robert Koch-Institut (RKI) ist in Deutschland und international eine der wichtigsten Forschungs- und Überwachungseinrichtungen im Bereich der Infektionskrankheiten und nicht übertragbaren Krankheiten. Bildquelle: imago.
-
Bild 14 von 16. Louis Pasteur (1822-1895). führte in seinem Pariser Labor Forschungen zu Fäulnis und Gärung durch und entdeckte dabei Kleinstlebewesen sowie deren Einfluss bei Zersetzungs- und Krankheitsprozessen. Die von ihm entwickelten Methoden zum Abtöten dieser Mikroorganismen und zum Desinfizieren/Sterilisieren von Gegenständen wie Lebensmitteln prägen noch heute unseren Alltag. Bildquelle: imago.
-
Bild 15 von 16. Basierend auf der Arbeit von Louis Pasteur wurden immer neue Vorrichtungen zur Sterilisierung von Operationsbesteck entwickelt. Beispielsweise diese 1930 am College of Dentistry in New York vorgestellte Apparatur, in der mit Druck und hoher Temperatur zahnärztliche Instrumente und Handtücher keimfrei gemacht wurden. Bildquelle: imago.
-
Bild 16 von 16. Lysol. kommt 1889 als erstes kommerzielles Desinfektionsmittel auf den Markt und bewährt sich wenige Jahre später bei der grossen Cholera-Epidemie in Hamburg. Der heute noch existierende Markenname setzt sich aus dem Griechischen Lyo für «Auflösen» und dem Lateinischen Oleum für «Öl» zusammen. . Bildquelle: gemeinfrei.