In Paris haben die Anwohner der pittoresken Rue Crémieux genug von Touristen. Sie fordern von der Stadtregierung eine Zugangsbeschränkung am Wochenende. Weltweit bekannt wurde das Gässchen durch Fotos in sozialen Medien. Seither kommen täglich Hunderte Touristen auf der Suche nach dem perfekten Selfie.
Alle ihre Fotos gleichen sich: Junge Menschen posieren in den Hauseingängen der farbigen, zweistöckigen Häuser. Sie machen Yogaposen oder schauen lässig in die Kamera. Unter dem Hashtag #ruecremieux finden sich bereits über 30'000 Bilder auf Instagram. Tendenz steigend. Die einst ruhige Strasse ist durch das soziale Netzwerk zur gefragten Touristendestination geworden.
Instagram bestimmt das Reiseziel
Das neue Phänomen zeigt sich weltweit. Viele Reisewillige wählen ihr nächstes Reiseziel anhand der Fototauglichkeit – der sogenannten Instagrammability. In den sozialen Medien finden sich unzählige Tipps, wie man die Orte am besten inszeniert. So empfiehlt eine Nutzerin auf Youtube etwa, man müsse bei der Rue Crémieux auf das Licht und die anderen Leute achten.
Den Trend der Instagrammability beobachtet auch Jürg Stettler. Er leitet das Institut für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern. Wegen der technischen Ausgestaltung und der grossen Reichweite sei Instagram für die Tourismusvermarktung ideal, sagt er. «Sowieso spielen Fotos im Tourismus eine wichtige Rolle.»
Tausende belagern kleine Orte
Die grosse Reichweite kann jedoch ungeahnte Folgen haben: Plötzlich sind ehemalige Geheimtipps quasi über Nacht weltweit berühmt. Es folgen Touristenströme – wie in der Rue Crémieux in Paris. Und wenn das eigene Zuhause zur Sehenswürdigkeit wird, kann das für die Betroffenen unangenehme Folgen haben.
«Man kann nur reagieren – nicht agieren», sagt Stettler. Insbesondere für ganz kleine Orte werde ein Touristenansturm innert kürzester Zeit zu einem grossen Problem. Denn dort fehlten der Platz für all die Menschen und auch die notwendige Infrastruktur.
Mehr Parkplätze und WCs reichen nicht
Zwar könnte die Infrastruktur zum Beispiel durch zusätzliche Parkplätze oder WCs verbessert werden. Ansonsten liesse sich aber wenig machen, wenn ein Ort überrannt werde, so Stettler.
Schon heute können geübte Organisationen mit professionellem Marketing in sozialen Medien die Touristenströme lenken oder Nischenangebote bekannt machen. Durch diese Erfahrungen werde man in Zukunft auch besser auf ungeplante und plötzliche Verbreitung reagieren können, ist Stettler überzeugt.
Trotzdem: Weil es weltweit immer mehr Touristen gibt und die Nutzerzahlen in den sozialen Medien wie Instagram stetig steigen, dürfte es in Zukunft häufiger zu Situationen wie in der bis vor kurzem beschaulichen Rue Crémieux kommen.