In der Schweiz wird nirgends so viel Gemüse angebaut wie im Grossen Moos. Im Gebiet zwischen dem Neuenburger-, Murten- und Bielersee kämpfen die Bäuerinnen und Bauern immer wieder mit Überschwemmungen. Nach dem Dauerregen diesen Sommer ist die Situation jedoch so prekär wie schon lange nicht mehr. Die missliche Lage für die Landwirtschaft ist gleichzeitig ein Glücksfall für die Vogelwelt.
Eine Ansammlung so vieler Zugvögel sei in der Schweiz sehr selten, sagt Lucas Lombardo von Birdlife Schweiz: «Der Standort hier in Kallnach ist für Zugvögel interessant, weil er zwischen den drei Seen liegt.» Der neue See biete sich nun gut an, dass sich die Vögel auf ihrem Weg nach Afrika noch einmal stärken, bevor sie die Alpen überfliegen.
Fans aus ganzer Schweiz pilgern nach Kallnach
Der neue Hotspot hat sich nicht nur unter den Zugvögeln rumgesprochen. Auch Hobbyornithologen pilgern in Scharen an den See auf den Feldern. Täglich stehen Vogelfans mit Feldstecher und Fernrohr auf dem Feldweg und beobachten die Zugvögel, welche in dieser Anzahl normalerweise nur am Wattenmeer an der Nordsee zu sehen sind.
An den Wochenenden sei der Andrang besonders gross, sagt Urs Köhli, Gemeindepräsident von Kallnach: «An einem Sonntag stand hier eine ganze Kolone von Autos aus der ganzen Deutschschweiz, aber auch aus der Romandie.»
Dass die Felder im Grossen Moos überschwemmt werden, ist für die Landwirte nichts Neues. Das Grosse Moos wurde mit der ersten Juragewässerkorrektion vor rund 150 Jahren trocken gelegt. Je nach Witterung gibt es in der ehemaligen Moorlandschaft immer wieder kleinere Pfützen. Diese verschwinden aber normalerweise nach kurzer Zeit wieder.
Es ist offensichtlich, dass die Situation Frust verursacht.
Der Unterschied zur jetzigen Situation sei, dass die Überschwemmung nun schon seit Monaten anhalte, sagt Gemeindepräsident Köhli. Für die Bauern bedeutet das einen Totalausfall der Ernte. Der Pächter des überschwemmten Landes wollte nicht öffentlich Stellung nehmen. Köhli sagt dazu: «Ich kann nicht für die betroffenen Bauern reden. Aber es ist offensichtlich, dass die Situation Frust verursacht.» Denn bereits Ende Juni hatte im Grossen Moos ein Hagelsturm zu massiven Ernteausfällen geführt.
Genau solche Flächen, auf denen sich Zugvögel wohlfühlen, bräuchte es in der Schweiz noch viel mehr, sagt Lucas Lombardo von Birdlife Schweiz: «Man muss klar sagen, dass es solche Flächen wieder braucht.» In den vergangenen zehn Jahren seien viele Landwirtschaftsflächen mit Drainagen versehen worden, um die Felder zu entwässern. Für Zugvögel würden so immer weniger geeignete Orte übrig bleiben, so der Ornithologe.