SRF News: Eine neue Schweizer Studie sagt, dass die Sonne einen grösseren Einfluss aufs Klima hat, als bisher gedacht. Wie gross ist dieser Einfluss?
Thomas Häusler: Die Sonne strahlt nicht immer gleich stark, das weiss man schon länger. Doch nun erwarten die Forscher, dass sie in den nächsten rund 50 Jahren in eine schwache Phase gerät. Diese Schwächephase wird das weltweite Klima um etwa ein halbes Grad abkühlen. Derzeit befinden wir uns wegen des vom Menschen verursachten CO2-Ausstosses aber in einer Phase der Klimaerwärmung. Die erwartete Sonnenschwäche muss nun als Abkühlungseffekt mit der Erwärmung durch den Kohlendioxid-Ausstoss verrechnet werden. Ergebnis: Die Klimaerwärmung geht trotz Sonnenschwäche weiter voran, wenn auch etwas weniger stark.
Wie gross ist die Uneinigkeit unter den Forschern den Einfluss der Sonnenaktivität auf unser Klima betreffend?
Es geht hier um sehr komplexe Vorgänge und Berechnungen, die mit vielen Annahmen und Unsicherheiten behaftet sind. Das fängt damit an, dass die Schwächephase der Sonne nach viel mehr klingt, als es tatsächlich ist: Eine «schwache» Sonne strahlt nämlich nur minim weniger stark als die «normale» Sonne.
Schon vor etwa 300 Jahren hat es eine solche schwache Phase gegeben. Nun versuchen die Forscher herauszufinden, wie schwach die Sonne damals genau war und welche Temperaturen genau herrschten. Für beides haben sie Anhaltspunkte und Berechnungen – aber es sind eben keine genauen Messungen, sondern bloss Abschätzungen. Da ist es nicht überraschend, dass es zu Debatten über die wahrscheinlichsten Werte kommt.
Gemäss der neuen Schweizer Studie bremst die zu erwartende Sonnenschwäche den Klimawandel nur temporär etwas. Was bringt das?
Die 0,5 Grad, um die es geht, können durchaus eine wichtige Rolle spielen. Der Wert bezieht sich ja auf den jährlichen Durchschnitt der globalen Temperatur. Gegenwärtig geht es mit dem Klimaschutz immer noch viel zu langsam voran, wenn man das Ziel der Weltgemeinschaft – eine maximale Temperaturzunahme um 2 Grad – noch erreichen will. In dieser schwierigen Situation könnte die Sonnenschwäche uns immerhin wertvolle Zeit verschaffen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben.
Freuen über die neuen Erkenntnisse dürften sich Kritiker oder Skeptiker der Klimaerwärmung. Sie werden argumentieren, dass man sich nun nicht an den Pariser Klimavertrag zu halten brauche, da sich ja alles langfristig natürlich regle. Doch die neuen Erkenntnisse taugen nicht für eine Entwarnung in Sachen Klimawandel: Denn erstens ist der kühlende Effekt der schwächelnden Sonne zu klein und zweitens ist seine tatsächliche Wirkung mit grossen Unsicherheiten behaftet. Einer der beteiligten Forscher sagte, das Ergebnis sei ein kleiner Lichtblick, aber niemand sollte deswegen die Klimapolitik abschwächen wollen.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.