Ein Bekannter ruft an und fragt: «Warum hast du mich angerufen?». So beginnt für Erwin Stump ein Telefonterror der besonderen Art. «Ich habe nicht angerufen», antwortet Erwin Stump – und denkt sich nichts dabei. Vielleicht hat er sich vertippt, vielleicht hat sich das Telefon in der Hosentasche selbständig gemacht.
Doch das Telefon klingelt immer weiter. Immer sind es Rückrufe – auf Anrufe, die er nie gemacht hat. Manchmal sind es 6 Anrufe pro Tag, manchmal 180.
Ich dachte, ich spinne. Manchmal klingelte das Telefon viermal in der Minute.
Eine nervenaufreibende Situation für Erwin Stump. «Ich dachte, ich spinne. Manchmal klingelte das Telefon viermal in der Minute.» Irgendwann wird es ihm zu bunt: Er schaltet sein Mobiltelefon aus. Doch Erwin Stump betreibt ein Lagerhaus im Skigebiet von Elm, eine langfristige Lösung ist das nicht. «Sucht mich jemand wirklich, bin ich nicht erreichbar.»
Algorithmus täuscht Nummer vor
Was Erwin Stump erlebt, nennt sich Spoofing. Und er ist damit nicht allein. «Kassensturz» wurde von mehreren Betroffenen kontaktiert. Sie fragen, was sie gegen die ungewollten Anrufe tun können und haben Angst vor finanziellen Schäden.
Spoofing ist mit der Internet-Telefonie aufgekommen: Der Anrufer nutzt die Möglichkeit, bei Telefonaten einen Computer dazwischen zu schalten. Dieser wählt mit einem Algorithmus zufällig Nummern aus, die beim Angerufenen erscheinen. Zum Beispiel Erwin Stumps Nummer. Deshalb bekommt er Rückrufe, obschon er nie angerufen hat.
Telekom-Anbieter fast machtlos
Bei den Telekommunikations-Anbietern ist Spoofing ein bekanntes Problem. «Es gibt zwei Beweggründe für Spoofing», sagt Annina Merk, Pressesprecherin von Swisscom. Einerseits gehe es um Marketingzwecke und Werbung, anderseits um Betrugsfälle mit vorgetäuschter Nummer.
Für Swisscom, Sunrise und Co. ist es schwierig, etwas gegen die Werbeanrufe mit geklauter Nummer zu unternehmen. Die Drahtzieher sitzen meist in ausländischen Callcentern. «Ihre Anrufe werden über verschiedene Anbieter weitergeleitet. So ist ihre Herkunft fast nicht nachvollziehbar, die Spuren verlaufen sich immer», sagt Annina Merk. nnina Merk, Swisscom: «Die Herkunft der Anrufe ist kaum nachvollziehbar.»
Zwar hat die Swisscom als erster Telekommunikations-Anbieter einen Callfilter installiert, ähnlich einem Spamfilter bei E-Mails. So verhindert sie rund 200'000 Werbeanrufe pro Tag. Doch gegen Spoofing nützt der Callfilter nicht: Weil die Spoofer bestehende Rufnummern nutzen, können ihre Anrufe nicht als Werbeanrufe ausgemacht werden. Aufgrund der unverdächtigen oder gar bekannten Nummer nehmen Angerufene eher ab oder rufen zurück.
Gesetzesrevision soll Spoofing erschweren
Auch auf Gesetzesebene versucht man, das Problem zu lösen: In der Revision des Fernmeldegesetzes bezieht sich ein Abschnitt explizit auf Werbeanrufe und schafft seit Anfang 2021 eine gesamtschweizerische rechtliche Grundlage. Dennoch werde es Spoofing weiterhin geben, erklärt Annina Merk. «Es ist ein Katz-Maus-Spiel: Wir machen etwas und die Spoofer reagieren.»
Bei Erwin Stump ist wieder Ruhe eingekehrt. Sein Telefon klingelt nur noch, wenn jemand auch wirklich ihn erreichen will. Ein Trost für Spoofing-Opfer: Meistens hört der Spuck so schnell auf, wie er begonnen hat.