Die BBC gehört seit bald 100 Jahren wie das Königshaus zum britischen Inventar. Umso mehr erschreckte Generaldirektor Tim Davie die Britinnen und Briten, als er kürzlich verkündete, die Zukunft der BBC sei nicht mehr gesichert: «Unser Publikum schrumpft trotz unseren aussergewöhnlichen Bemühungen. Immer mehr Leute halten uns für entbehrlich.»
Ein junges Publikum, das sich längst im Internet informiert, ist die eine Kraft, welche am Fundament der BBC rüttelt. Mindestens so viel Sorgen bereitet Davie aber auch die Frage, wie er all die Dinge finanzieren soll, die sein Haus täglich produziert.
Wir halten es für grundlegend falsch, dass Menschen ins Gefängnis gehen müssen, weil sie keine Gebühren zahlen, für ein Angebot, das viele gar nicht mehr nutzen, weil sie sich auf anderen Kanälen informieren.
Der Jurist Liam Dick ist gewissermassen der Schöpfer einer verdünnten, britischen Variante der «No Billag»-Initiative. Er will die jährliche Rundfunkgebühr von rund 200 Franken, die jeder britische Haushalt zu zahlen hat, zwar nicht abschaffen – aber diese nicht zu zahlen soll nicht mehr strafbar sein. Was faktisch einer Abschaffung gleichkommt.
«Wir halten es für grundlegend falsch, dass Menschen ins Gefängnis gehen müssen, weil sie keine Gebühren zahlen, für ein Angebot, das viele gar nicht mehr nutzen, weil sie sich auf anderen Kanälen informieren», sagt Dick. Er fordert, die BBC müsse selbsttragend werden. «Wenn sie so gut ist, wie sie behauptet, werden haufenweise Leute freiwillig für diesen Service bezahlen. Zwang ist aber zutiefst unmoralisch.»
BBC-Chef Davie kann damit nichts anfangen. Verlässliche Informationen gehören für ihn zur Grundversorgung eines Landes – wie Schienen oder Strassen. «Mit einem solchen Modell könnten wir wahrscheinlich ein anständiges Geschäft machen, aber nur in bestimmten Regionen und Gesellschaftsschichten, es würde uns zu einem weiteren Medienunternehmen machen, das nur eine bestimmte Gruppe bedient.»
Spätestens seit die BBC die Saläre ihrer Star-Moderatoren publiziert hat, die teilweise bis zu einer Million Franken verdienen, ist die Mission von Davie nicht einfacher geworden. Auch von der Politik kann er nicht wirklich Hilfe erwarten. Der Brexit hat das Klima zwischen der BBC und Downing Street nachhaltig vergiftet.
Die Konservative Partei hat der BBC während des Scheidungsdramas eine tendenziöse Berichterstattung vorgeworfen. Der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn unterstellte dieser gar Arglist. Wenn beide Seiten unzufrieden sind, könne die Brexit-Berichterstattung gar nicht so schlecht gewesen sein, meint der Publizist Liam Halligan.
Seine Kritik zielt in eine andere Richtung: Die BBC habe den Kontakt zum Publikum verloren. «Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihnen die BBC nur noch die Weltanschauung von jungen gutsituierten Journalisten aus London präsentiert.»
Die Mehrheit der Zuschauerinnen und Hörer seien jedoch Leute aus der Provinz. «Sie haben das Gefühl, dass die BBC ihnen Themen präsentiert, die nichts mit ihrem Alltag zu tun haben. Und dies oft noch auf eine herablassende Weise.»
Die BBC zieht aus
Die Entfremdung ist offenbar auch BBC-Chef Davie nicht entgangen. Wenigstens für diese Herausforderung hat er eine Antwort gefunden. Vergangene Woche hat er entschieden, dass die BBC ihren Ton ändert.
400 Journalistinnen und Journalisten sollen ihre Umzugskisten packen und die urbane Blase verlassen. Gesendet wird nicht mehr allein aus London, sondern aus dem ganzen Land. Die Informationssendungen werden verteilt nach Cardiff, Bristol oder York. Dorthin, wo der reale Alltag der Menschen stattfindet.