«Ich habe heute noch ein komisches Gefühl, wenn ich zum Briefkasten gehe, weil ich nicht weiss, was wieder drin sein könnte», sagt die Frau aus dem Kanton Bern. Hinter ihr liegen schwierige Monate. Mitte April erhielt sie zum ersten Mal Pakete von verschiedenen Onlineanbietern im Wert von über tausend Franken. Die Pakete waren alle an sie adressiert, obschon sie nichts davon bestellt hatte. Die Frau schickte alle Pakete zurück und fragte die Onlinehändler an, ob es noch weitere Bestellungen gebe, was diese verneinten.
Damit habe sich die Sache erledigt, dachte die Frau. Doch anstelle von Paketen, kamen nun Mahnungen von Zalando für neue Bestellungen, die sie nicht aufgegeben hatte. Es stellte sich heraus, dass jemand ein Zalando-Konto auf ihren Namen und mit ihrer Adresse eröffnet hatte. Mit diesem Konto wurden Artikel bestellt – die Pakete wurden offenbar aus dem Briefkasten «gefischt». Wie die Frau herausfindet, haben die mutmasslichen Betrüger auch bei der Post ein Login auf ihren Namen eröffnet, sodass sie die Sendungen nachverfolgen konnten.
Kundendienst antwortet stets gleich
Die Frau meldete sich beim Zalando-Kundendienst, der ihr riet, sich an die örtliche Polizei zu wenden, um Anzeige zu erstatten. Auf der Polizeistation sagte man ihr aber, dass sie erst betrieben werden müsse, bevor sie Strafanzeige machen könne. Aktuell sei das Unternehmen, also Zalando, die geschädigte Partei und nur der Onlinehändler könne eine Anzeige machen.
Dies meldete die Frau dem Zalando-Kundendienst mehrmals. Doch sie stiess auf taube Ohren. Mantraartig schickt ihr der Kundendienst immer wieder folgende Nachricht zurück: «Wir empfehlen Ihnen Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten. Selbstverständlich leiten wir alle Daten an die Polizei weiter, sobald uns diese kontaktiert.» Die Kundin liess alle Konten deaktivieren, welche auf ihren Namen lauteten. Weiter wollte sie ihren Namen sowie ihre Adresse für zukünftige Konten sperren lassen. Doch dies ginge nicht, meldete ihr Zalando zurück. Warum, blieb unklar. Ebenso, was nun mit den offenen Rechnungen von über tausend Franken passieren sollte.
Zalando lenkt doch noch ein
Auf Anfrage des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» heisst es von Zalando zunächst ebenfalls, dass die Frau bei der Polizei Anzeige machen soll. Auf den Hinweis von «Espresso», dass dies ja eben nicht möglich sei, klärt die Zalando-Medienstelle erneut ab. Nun heisst es plötzlich: Die Frau müsse nichts mehr unternehmen. Eventuelle Mahn- und Inkassobriefe von Zalando könne sie ignorieren. Ob Zalando selbst nun Anzeige bei der Polizei gemacht hat oder die Mahnungen einfach löscht, sagt der Onlinehändler aus «Sicherheits- und Datenschutzgründen» nicht.
Die Kundin ist erleichtert, dass sich das Ganze für sie nun offenbar erledigt hat. Aber für sie steht fest, dass hinter all dem professionelle Betrüger stecken: «Und wenn man sieht, wie lange es dauert, bis so ein Fall gelöst ist, dann ist das ein lohnendes Geschäftsmodell.»