Seit den 1970er-Jahren wird Chlorothalonil von den Schweizer Bauern auf den Feldern eingesetzt. Von den Feldern gelangt es dann ins Grund- und Trinkwasser, wo wir es zu uns nehmen. Seit Ende Juli 2019 gelten aber strenge Höchstwerte für die Konzentration im Trinkwasser – das Mittel sei potentiell krebserregend.
Neu darf ein Grenzwert von 0.1 Mikrogramm pro Liter im Trinkwasser nicht überschritten werden, sonst müssen die Wasserversorger Schritte unternehmen.
Neun von zehn beanstandeten Messstationen im Kanton Bern stehen im Seeland, die Grenzwert werden teilweise um das Zehnfache überschritten. Diese Zahlen hat das kantonale Gewässer- und Bodenschutzlabor auf Nachfrage des Regionaljournals offengelegt. Eine weitere Messtation steht im Oberaargau.
Die Trinkwasserversorger müssen nun innerhalb kürzester Zeit die Konzentration des Pestizids im Wasser senken, so will es der Bund. Eine Möglichkeit ist, Wasser aus zwei Quellen zusammenzumischen und so zu verdünnen, oder eine andere, sauberere Trinkwasserquelle nutzen.
Der Countdown läuft – auch im Oberaargau
Die Wasserversorgung Untere Langete im Kanton Bern hat einen zu hohen Chlorothalonil-Wert. Oliver Schmidt, der Geschäftsführer des Wasserversorgers Untere Lange, ist verantwortlich für elf Gemeinden mit rund 34'000 Personen. Einen Monat hat er Zeit, die Konzentration im Wasser zu verdünnen. Doch er wird es nicht schaffen.
Alle Wasserfassungen seines Verbunds sind betroffen. Die einfachste Lösung fällt weg: Sauberes und belastetes Wasser mischen. Auch die Nachbarverbünde können nicht helfen: «Die anderen Wasserversorger haben tendenziell kein Wasser übrig.» Zudem sei davon auszugehen, dass sich die Situation des Grundwassers aufgrund der landwirtschaftlichen Nutzung in der gesamten Region nicht verbessere.
Bleibt noch eine Möglichkeit: Das Chlorothalonil aus dem Trinkwasser herausfiltern. Doch die gängigen Aufbereitungsverfahren funktionieren bei Chlorothalonil noch nicht.
Wir tun unser Möglichstes.
Für Oliver Schmid ist es ein Kampf gegen die Zeit. Selbst wenn er ein Filtersystem auftreiben sollte: Es würde Millionen kosten, die Wasserpreise im Versorgungsgebiet stark ansteigen. Oliver Schmidt hofft nun auf eine pragmatische Lösung, man sei mit dem Kanton Bern im Gespräch.
Wie geht es nun weiter?
Beim Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches SVGW, dem Fachverband der Trinkwasserversorger, heisst es, dass der Fall ums Chlorothalonil einzigartig sei – und ein besonders brutales Beispiel dafür, dass langfristige Planung wichtig sei: Die Wasserversorger pochten seit Jahren auf mehr Schutz des Trinkwassers vor Pestiziden durch die Landwirtschaft, und ärgerlicherweise müsse man nun ausbaden, was die Politik mit ihrer Bewilligung von Pestiziden anrichte.
Der Bund prüft derzeit ein Verbot des Pestizids Chlorothalonil auf den Herbst.
Doch auch wenn dieses kommen sollte: Der Stoff hat sich längst abgelagert und wird wohl noch während den nächsten 20 Jahren aus den Böden herausgewaschen und gelangt ins Trinkwasser.
Der Kanton Bern verteidigt sich
Die Berner Kantonsregierung ist der Ansicht, dass die Sache schweizweit geregelt werden sollte, sagt Regierungsrat Christoph Neuhaus gegenüber dem Regionaljournal von Radio SRF.
Es bringt nichts, wenn wir Chlorothalonil verbieten und die Bauern es dann im Nachbarskanton kaufen.
Allerdings hat der Kanton vergangene Woche eine Taskforce für die Fragen rund um Chlorothalonil gegründet. Das Thema betreffe mehrere Direktionen, da gebe es Koordinationsbedarf, sagt Neuhaus. Und er spielt den Ball den Trinkwasserversorgern zu. «Wichtig ist, dass sie schauen, was sie machen können.»