Erklärtes Ziel der «AHV21» ist es, die Renten für das nächste Jahrzehnt zu sichern und das Sozialwerk finanziell auf eine solide Basis zu stellen. Mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer und des Frauenrentenalters um ein Jahr soll das gelingen. Doch dieser zweite Punkt spaltet die Frauen.
Während die politische Linke diese Gleichbehandlung von Frau und Mann in der AHV nicht schlucken will und auf die Ungleichheiten bei Lohn und beruflicher Vorsorge verweist, unterstützen bürgerliche Politikerinnen die Reform. Kathrin Bertschy, GLP-Nationalrätin und Co-Leiterin von Alliance F, sagt: «Wir erachten es nicht als Privileg, dass Frauen mit 64 in Rente gehen. Wir können ein Jahr weniger lang in die berufliche Vorsorge einzahlen – das gibt tiefere Renten.»
Betroffene profitieren von Zuschüssen
Das ändere die AHV-Vorlage, begründet die überparteiliche Allianz ihre Position. «Es ist eine austarierte Vorlage, und zum ersten Mal hat man einzig und allein die Frauen bessergestellt. Nur sie kriegen höhere Renten, erhalten Ausgleichszahlungen», so Bertschy.
Kurz: Die Frauen profitierten von der Reform – wegen der Zuschüsse zur AHV-Rente für insgesamt neun Jahrgänge jener Frauen, die bald in Pension gehen. Aber auch, weil ein weiteres Jahr an Lohn und Beiträgen zu AHV und beruflicher Vorsorge hinzukommt.
Zum ersten Mal hat man einzig und allein die Frauen bessergestellt.
Susanne Vincenz-Stauffacher, Nationalrätin und Präsidentin der FDP-Frauen, rechnet vor: «Es gibt Konstellationen bei tiefen Einkommen, bei denen bei der Gesamtberechnung sogar eine Verbesserung resultiert. Insbesondere wegen des Zuschlags bei ganz tiefen Einkommen.»
Wichtige Rolle der beruflichen Vorsorge
Dieses Plus käme bei heutiger Lebenserwartung auf über 40'000 Franken. Das Beispiel wischt jedoch das Ziel der Reform nicht beiseite: Sie soll ja die AHV stabilisieren. Der Bund veranschlagt den Sanierungsbeitrag der Frauen auf etwa 9 Milliarden Franken, die Ausgleichsmassnahmen auf rund 3 Milliarden Franken.
Wie viel Geld Frauen und Männern nach der Pensionierung zur Verfügung steht, liegt aber nicht allein an der AHV, sondern auch an der beruflichen und der freiwillig ersparten Vorsorge. Über alle drei Säulen gesehen liegen die Frauenrenten über ein Drittel unter denen der Männer.
Martin Eling, Professor für Versicherungswirtschaft in St. Gallen, erklärt: «Hier kommen die Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt zwischen Männern und Frauen voll zum Tragen. Frauen arbeiten häufiger Teilzeit und verdienen über die Lebenszeit weniger.»
Parlament will tiefere Eintrittsschwelle
Mit über 60 Prozent besonders stark unterscheiden sich die Renten von Mann und Frau in der zweiten Säule. Auch der Bund weist diese Rentenlücke aus. «Es gibt eine Reihe von institutionellen Nachteilen zulasten der Frauen», sagt Eling. «Ein Beispiel ist der frühere Renteneintritt. Es gibt aber auch die Eintrittsschwelle in die berufliche Vorsorge: Man braucht dazu ein bestimmtes Einkommensniveau.»
Es gibt eine Reihe von institutionellen Nachteilen zulasten der Frauen.
Diese Eintrittsschwelle möchte das Parlament im Rahmen der Revision der beruflichen Vorsorge senken. Das käme Frauen zugute. Auch hier will die bürgerliche Allianz ansetzen. Zudem will sie sich für Lohngleichheit und Steuergerechtigkeit einsetzen. Der erste Schritt dazu: Ein Ja zur AHV-Reform. Die Gegenseite dreht die Reihenfolge um und kann deshalb nicht Ja zur Reform sagen.