Das Rentenalter für Frauen wird auf 65 Jahre erhöht. So hat es gestern nach dem Ständerat auch der Nationalrat beschlossen. An vorderster Front setzte sich FDP-Nationalrätin Regine Sauter dafür ein. Im Interview sagt sie, was sie an der Haltung der Linken stört – und was sie von den Frauen erwartet.
SRF News: Viele Frauen haben sich gestern aufgeregt, weil sie mit der Rentenaltererhöhung die Last dieser AHV-Reform allein tragen. Haben Sie Verständnis?
Regine Sauter: Dafür habe ich kein Verständnis. Ich habe auch positive Feedbacks erhalten von Frauen, die sagen: Es ist Zeit, dass das Rentenalter gleich ist. Es stimmt auch nicht, dass man das auf dem Buckel der Frauen macht. Hier geht es um eine gesellschaftliche und nicht um eine Frauenvorlage.
Fakt ist, dass Frauen bei der Rente schlechter dastehen, wenn man auch die Pensionskassen einbezieht. Man spricht, je nachdem, von einem Drittel. Verstehen Sie nicht, dass man jetzt nicht auch noch ein Opfer bringen will bei der AHV?
Sie haben recht, die Altersvorsorge ist bei den Frauen schlechter ausgestaltet als bei den Männern. Das liegt ausschliesslich an der zweiten Säule, an der beruflichen Vorsorge, der Pensionskasse. In der AHV haben die Frauen keine tieferen Renten als die Männer. Jetzt gehts um die AHV. Die Pensionskasse müssen wir aber anschauen, das ist unbestritten.
Was kann man tun, um die Situation der Frauen in der Pensionskasse zu verbessern?
Wer Teilzeit, mit tiefen Pensen und Löhnen arbeitet, kann sich keine gute Altersvorsorge in der zweiten Säule aufbauen. Meistens sind dies Frauen. Weil man eben erst ab einem gewissen Einkommen ein Pensionskassen-Guthaben aufbauen kann. Das ist falsch, das muss man ändern. Man soll auf dem ganzen Lohn Vorsorgekapital bilden können. Das würde vor allem den Frauen helfen.
Viele Frauen haben einen Beruf gelernt; es ist gibt keinen Grund, den aufzugeben, wenn sie eine Familie haben.
Sie sagten gestern im Rat, Sie wunderten sich etwas über das Frauenbild der linken Frauen, die diese Rentenaltererhöhung bekämpfen. Wie meinten Sie das?
Ich hörte immer nur: Frauen leisten Gratisarbeit, Frauen leisten Familienarbeit etc. Möglicherweise war das so. Aber heute muss eine Frau doch dafür sorgen, dass sie selbständig und eigenbestimmt ist. Ich erwarte von einer Frau, dass sie Familienarbeit mit ihrem Partner, mit ihrem Mann teilt. Ich erwarte von Frauen auch, dass sie berufstätig sein können. Viele Frauen haben einen Beruf gelernt; es ist gibt keinen Grund, den aufzugeben, wenn sie eine Familie haben.
Die Frauen sind gewissermassen selbst schuld an der schlechten Rentensituation? Sie sollen einfach mehr arbeiten und das Problem wäre gelöst?
Nein. Aber man kann nicht einfach sagen, alle Frauen leisteten nur Gratisarbeit. Mich stört bei der Linken, dass sie für sich in Anspruch nimmt, alle Frauen zu vertreten. Es gibt Frauen, die nicht privilegiert sind, das ist so. Ihnen müssen wir gezielt helfen. Aber jetzt zu sagen, deshalb könne man das Rentenalter nicht erhöhen, das finde ich völlig falsch.
Die Frauen können auch nicht mehr darauf vertrauen, dass die Ehe eine ökonomische Absicherung ist.
Aber es ist wohl einfach eine Tatsache, dass immer noch viele Frauen viel Arbeit zu Hause bei der Familie leisten.
Das ist so. Das kann aber kein Zukunftsmodell sein. Heute braucht es doch partnerschaftliche Lösungen in einer Familie. Die Frauen können auch nicht mehr darauf vertrauen, dass die Ehe eine ökonomische Absicherung ist. Das Bundesgericht hat kürzlich entschieden, dass auch Frauen nach einer Scheidung für sich selbst sorgen können müssen. Und deshalb ist es schlecht, wenn eine Frau nach der Heirat einfach ihren Beruf aufgibt.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.