Die Denkfabrik foraus (Forum Aussenpolitik) schaltet sich mit einem Diskussionspapier erneut in die Debatte um das Rahmenabkommen ein. Sie schlägt zwei Massnahmen vor, wie die Schweiz und die Europäische Union beim Zankapfel Lohnschutz einen Kompromiss finden könnten.
- Eine Übergangsfrist von 10 Jahren, bis das neue Rahmenabkommen vollständig in Kraft tritt.
- Garantien für das Schweizer Lohnkontrollsystem der Sozialpartner.
Erstens sollen neue flankierende Massnahmen schrittweise eingeführt werden. Das Rahmenabkommen würde damit erst nach einer 10-jährigen Übergangsfrist seine volle Wirkung entfalten.
Laut dem Mitautor Fréderic Maurer gebe die stufenweise Einführung (siehe Grafik) den Sozialpartnern mehr Zeit. Sie könnten dann interne Reformen durchführen und besser abschätzen, wie sich die EU-Gesetzgebung und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Lohnschutz entwickle. Vor und nach dieser Testphase schlägt foraus eine Volksabstimmung vor, um die Beziehung zur EU direktdemokratisch zu legitimieren.
Zweitens soll die EU der Schweiz weitreichende Garantien abgeben, fordert die Denkfabrik. Die Schweizer Lohnkontrollen würden demnach weiterhin autonom durchgeführt und die Sozialpartner behielten die Fäden beim Kampf gegen Lohndumping in den Händen.
Frist 2 Jahre für 8-Tage-Regel: Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Rahmenabkommens würde die heutige geltende Anmeldefrist für ausländische Handwerker in der Schweiz von acht auf vier Tage verkürzt.
Frist 4 Jahre für Kautionspflicht: Nach vier Jahren würde die Kautionspflicht für ausländische Handwerker nur noch beschränkt auf Unternehmen, die schon wegen Lohndumpings gebüsst wurden.
Frist 7 Jahre für Lohnschutz: Nach sieben Jahren würde die Schweiz EU-Recht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Lohnschutz übernehmen.
Sozialpartner wollen mehr
Diese Ideen stossen bei den Sozialpartnern grundsätzlich auf Interesse. Doch die Vorschläge von foraus würden nicht weit genug gehen, sagt Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands. Es brauche weitere materielle Verbesserungen beim Rahmenabkommen.
Ähnlich tönt es bei Pierre-Yves Maillard, dem Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Das Hauptproblem für die Gewerkschaften bleibe bestehen, denn mit dem Rahmenabkommen würde künftig der Europäische Gerichtshof beim Schweizer Lohnschutz mitreden können, sagt Maillard auf Anfrage. Dies lehnen die Gewerkschaften weiterhin ab.
Nachbesserungen sind notwendig
Hinter den Kulissen erarbeiten die Sozialpartner Lösungen zu den drei offenen Punkten im Rahmenabkommen: dem Lohnschutz, den staatlichen Beihilfen und der Unionsbürgerrichtlinie. Das ist nötig, denn ohne substanzielle Nachbesserungen dürfte es das Rahmenabkommen schwer haben, in der innenpolitischen Debatte zu bestehen.
Frédéric Maurer von foraus glaubt, dass die Zeit jetzt günstig ist für neue Vorschläge: Nämlich vor dem Treffen von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen kommende Woche am WEF in Davos.
Derweil dürften sich die Fronten beim Rahmenabkommen – mindestens was die öffentliche Debatte anbelangt – kaum verschieben. Denn vor der Abstimmung zur SVP-Initiative gegen die Personenfreizügigkeit am 17. Mai werden wohl keine weiteren Parteien Farbe bekennen.