Anfangs August 1924 war in Alt-Innerthal die Kirche noch im Dorf. Allerdings stand ihr das Wasser schon quasi bis zum Hals. Und dann, am 9. August 1924, war es so weit. Die Kirche wurde gesprengt – und damit verschwand der letzte Teil des alten Dorfes im Wägital in den Fluten.
Die Sprengung der Kirche läutete somit das endgültige Ende des Bergdorfes ein, so wie es einst war. Schon einen Monat vorher wurde der Bevölkerung gesagt: «Ihr müsst da weg – euer Dorf wird überflutet. Wir bauen einen Stausee!»
Der Grund dafür war, dass in den Jahren zuvor der Stromverbrauch in der Schweiz massiv gestiegen war. Es brauchte ein neues grosses Elektrizitätswerk und damit verbunden einen Stausee – den Wägitalersee. Viele von den damals über 300 Einwohnerinnen und Einwohner mussten sich ein neues Zuhause suchen. Fast 500 Hektaren Wies- und Weidland sowie Wald gingen in den Fluten unter.
Es war meine Kirche, die sie in die Luft gejagt haben.
Dass vor 100 Jahren die Kirche dem Staudamm weichen musste, das beschäftigt den heutigen Pfarrer von Innerthal, Guido Hangartner: «Es war meine Kirche, die sie in die Luft gejagt haben. Auch wenn ich sie selbst nicht erlebt habe. Ich bin hier heute Pfarrer. Das kann mich nicht kaltlassen.»
Seit drei Jahren ist Guido Hangartner Pfarrer von Innerthal. Er hat sich seither stark mit der Geschichte der Gemeinde auseinandergesetzt.
Widerstand erfolglos
Zurückblickend ist Guido Hangartner überzeugt: Das Dorf habe mit dem Bau des Stausees nur verloren. Das Projekt sei dreimal vor Bundesgericht gewesen, dreimal musste die Dorfbevölkerung eine Niederlage kassieren. Das Wägital zu überfluten, sei in Schwyz, Zürich und im Bezirk entschieden worden. Die Dorfbevölkerung sei nicht gefragt worden. «Es hiess: Verkaufe oder guck, wo du bleibst», sagt der Innerthaler Pfarrer.
Das Kraftwerk sei ausschliesslich für die Stadt Zürich und deren Stromhunger gebaut worden. Das Wägital habe gar nichts davon gehabt. Die Abgeltung, die sie bekamen, sei minimal gewesen. «Man hat sie über den Tisch gezogen.»
Trotz des schwierigen Schicksals vieler Innerthalerinnen und Innerthaler: Eine Episode freut den heutigen Pfarrer der Gemeinde besonders. Es ist eine kleine Protestaktion.
Als die Sprengung am 9. August 1924 hätte vollzogen werden müssen, mussten sich die Verantwortlichen nämlich zuerst mit dem vormaligen Pfarrer herumschlagen. Dieser weigerte sich, die Kirche zu verlassen. «Man musste ihn heraustragen.»
Boje erinnert an die Geschehnisse vor 100 Jahren
Eine neue Kirche wurde zwar wieder an einem anderen Ort gebaut. Aber die Bevölkerung ist geschrumpft. Die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner mussten das Wägital verlassen. Innerthal ist heute die zweitkleinste Gemeinde im Kanton Schwyz – nur gerade 181 Menschen wohnen hier.
An die Geschehnisse vor 100 Jahren erinnert heute eine orange Boje im Wägitalersee. Sie schwimmt genau an der Stelle, wo einst der Kirchturm zu sehen war. Es ist ein kleines Zeichen, welches an das Schicksal des alten Dorfs und der Bevölkerung von damals erinnert.