Am vergangenen Wochenende fällte das Zürcher Stimmvolk ein klares Verdikt: Fast 65 Prozent der Zürcherinnen und Zürcher sagten Nein zum Stimmrechtsalter 16. Nein zum Begehren, dass junge Menschen bereits als 16-Jährige – statt wie bisher als 18-Jährige – wählen und abstimmen können. Das Ergebnis fügt sich ein in eine Reihe von Rückschlägen, die das Anliegen in den letzten Jahren erlitten hat.
Nur Glarus kennt Stimmrechtsalter 16
Im letzten September beispielsweise wurde das Stimmrechtsalter 16 im Kanton Uri mit 68 Prozent abgelehnt. Interessant: Im Kanton Uri standen die Regierung, der Kantonsrat und alle Parteien ausser der SVP hinter der Vorlage. Dennoch fand das Begehren keine Gnade vor dem Volk. Überhaupt hat es bisher noch in keinem Kanton gereicht für ein Ja an der Urne. Der einzige Kanton, der das Stimmrechtsalter 16 eingeführt hat, ist Glarus. Da war es die Landsgemeinde, die entschied.
Politologe Tobias Arnold vom Büro Interface in Luzern stellt fest, dass die Sympathie für das Anliegen in den politischen Kreisen generell höher sei, als beim Stimmvolk. «Politikerinnen und Politiker wollen junge Leute früh für die Politik begeistern und sie für die eigene Partei rekrutieren.» Bei der breiten Bevölkerung hingegen sei die politische Partizipation kein drängendes Thema.
Auch Autofahren lernt man mit 18 Jahren. Dieses Alter ist stark in den Köpfen verankert.
Die Hauptgründe für die Ablehnung sieht der Politologe darin, dass bei vielen Leuten die Volljährigkeit und das Stimmrechtsalter zusammen gehörten. «Viele fragen sich, warum jemand mitbestimmen soll, der noch keine Steuern zahlt. Auch Autofahren lernt man mit 18 Jahren. Dieses Alter ist stark in den Köpfen verankert.»
«Aufgeben ist keine Option»
In Luzern nimmt man trotz des Zürcher Rückschlags den nächsten Anlauf, das Stimmrechtsalter 16 auf kantonaler Ebene einzuführen. Die Jungparteien der Grünen, der SP, der Mitte und der Grünliberalen haben eine entsprechende Initiative lanciert und beginnen nun Unterschriften zu sammeln.
Initiant Samuel Zbinden (Kantonsrat LU/Grüne) vergleicht den Prozess mit dem Kampf ums Frauenstimmrecht: «Aufgeben ist keine Option. Stellen Sie sich vor, die mutigen Frauen hätten damals einfach aufgegeben, als das Frauenstimmrecht zum ersten Mal abgelehnt wurde.» Solche Anliegen bräuchten oft mehrere Anläufe und in Luzern seien die Initianten breit abgestützt. Zbinden: «Wir haben schon über 100 Helferinnen und Allianz-Organisationen.»
Bürgerliche ins Boot holen
Eine breite Verankerung über viele Parteien und Organisationen hinweg, sei zentral, findet Politologe Arnold. «Die Initianten müssen schauen, dass das Stimmrechtsalter 16 nicht als rein linkes Anliegen rüberkommt.»
Mit Kantonsrätin Karin Stadelmann ist in Luzern auch die Mitte-Partei im Komitee fürs Stimmrechtsalter 16 vertreten. Sie ist sich bewusst, dass sie auch in ihrer Partei noch Überzeugungsarbeit leisten muss. «Wichtig ist es aufzuklären, dass es nur um das passive Stimmrecht mit 16 Jahren geht. Man kann mitbestimmen, sich aber nicht für eine Wahl aufstellen lassen.»
Entscheidendes Argument für Stadelmann ist, dass junge Menschen über Entscheide mitbestimmen können, von denen sie später direkt betroffen sein werden.
Die Zuversicht der Luzerner Initianten teilt Politologe Tobias Arnold nicht: «Ich gebe dem Stimmrechtsalter 16 beim Stimmvolk aktuell keine grosse Chance.» Wichtig sei aber aus Sicht der Initianten, dass das Thema auf der Agenda bleibe. «Sie müssen es immer wieder versuchen, um dann vielleicht in fünf oder zehn Jahren Erfolg zu haben.»