- Erstmals zeigt eine Studie auf, wie viel Rentner für Betreuungs- und Pflegeleistungen aus eigener Tasche bezahlen.
- Je nach Einkommen, Vermögen und Wohnort sind die Unterschiede enorm.
- Am meisten bezahlt die Berner Mittelschicht.
Ein Mittelstand-Rentner, der in Bern in seinen eigenen vier Wänden wohnt, zahlt pro Jahr rund 20'000 Franken mehr Betreuungs- und Pflegekosten als ein Rentner in Freiburg. Dies zeigt eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).
«Die finanzielle Belastung von Rentnerinnen und Rentner unterscheidet sich massiv je nach Wohnort», so Johanna Leitner von der FHNW. Auffällig sind dabei die Nachbarkantone Bern und Freiburg. Das Modell geht davon aus, dass mittelständische Rentner nach Abzug von Fixkosten wie Miete, Steuern und Krankenkassenprämien noch 40'000 Franken jährlich zur Verfügung haben. Hat ein Freiburger Rentner alle selbstgetragenen Betreuungs- und Pflegekosten bezahlt, bleiben ihm pro Jahr 14'000 Franken übrig.
Wohnt der gleiche Rentner in der Stadt Bern, bleibt ihm nach Abzug der selbstgetragenen Betreuungskosten nichts mehr übrig. Im Gegenteil: Pro Jahr muss er 8'700 Franken von seinem angesparten Vermögen für die Betreuungskosten ausgeben. Bern ist in der Auswertung das Schlusslicht, Freiburg führt die Statistik an.
In das Modell fliessen verschiedene Faktoren mit ein: Zum einen wird die Vermögenssituation der Rentnerinnen und Rentner betrachtet. Daraus entstehen fünf Gruppen, von vermögens- und einkommensschwachen Rentnern bis hin zu vermögenden Rentnern.
Der zweite Faktor ist der Grad der Pflegebedürftigkeit. Der Senior wird einem von neun Typen zugeteilt. Diese beginnen bei Typ 1, kaum betreuungsbedürftig. Das heisst, der Senior wohnt noch zu Hause und braucht Unterstützung bei Tätigkeiten wie etwa beim Einkaufen. Typ neun ist demgegenüber ein voll pflegebedürftiger Senior, der in einem Pflegeheim lebt. Ausserdem zeigt die Studie auf, in welcher Kantonshauptstadt die Senioren wohnen.
System funktioniert – für Einkommensschwache
Das System der sozialen Sicherheit für ältere Menschen in der Schweiz ist komplex. Ergänzungsleistungen, Hilflosenentschädigungen sowie kantonale Beiträge, sogenannten Sozialtransfers, sollen sicherstellen, dass ältere Menschen die Pflege und Betreuung finanzieren können, die sie benötigen. Doch die regionalen Unterschiede sind gross.
Bei Senioren mit wenig Vermögen und tiefem Einkommen funktioniert das System. Die Sozialtransfers decken bei fast allen Kantonshauptstädten die anfallenden Betreuungs- und Pflegekosten. Die Senioren haben Ende Monat noch Geld zur Verfügung.
Je nach Region kostet eine Leistung mehr
Anders sieht es beim Mittelstand aus: Er erhält kaum Sozialtransfers und zahlt daher die Betreuungs- und Pflegekosten zu einem grossen Teil selber. Denn er hat, im Gegensatz zu einkommensschwächeren Senioren, Vermögen, auf das er zurückgreifen kann. Je nachdem wo Senioren wohnen, müssen sie jedoch mehr oder weniger Geld für diese Kosten ausgeben.
Gemäss Johanna Leitner hat dies vor allem mit den unterschiedlichen Leistungsabrechnungen in den Kantonen zu tun. Je nach Kanton werden Leistungen von den Senioren selber getragen, welche in einem anderen Kanton die Krankenkassen decken. Ausserdem können Tarife kommunal festgelegt werden. Betreuungsleistungen können also je nach Region unterschiedlich viel kosten.