Lange Zeit waren Fairtrade-Produkte in der Schweiz nur in Reformhäusern und Drittwelt-Läden erhältlich. Im Frühling 1992 änderte sich das schlagartig. Damals nahmen Migros und Coop Max-Havelaar-Kaffee in ihr Sortiment auf.
Massgeblich an dieser Entwicklung beteiligt war Rolf Buser, der von 1992 bis 1998 erster Geschäftsführer der Stiftung in der Schweiz war. «Ich hatte zuvor mehrere Jahre für Entwicklungsprojekte in Lateinamerika gearbeitet und dort gesehen, wie sehr die Kaffee- und Kakao-Kleinbauern unter den schwankenden Weltmarktpreisen und dem ausbeuterischen Zwischenhandel litten», sagt Buser gegenüber dem Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1.
Druck auf die Grossverteiler
Buser nahm sich vor, die Schweizer Grossverteiler davon zu überzeugen, die Produkte der Kleinbauern direkt zu importieren – nach dem Vorbild des allerersten Max-Havelaar-Projekts in den Niederlanden.
Auch verschiedene Schweizer Hilfswerke wollten die prekäre Lage der Kleinbauern verbessern und beauftragten Rolf Buser, zu prüfen, ob sich ein Projekt wie jenes in Holland auch in der Schweiz realisieren liesse.
Es folgte eine grosse Kampagne, um die Bevölkerung über die Problematik der lateinamerikanischen Kleinbauern zu informieren. Nebst Hilfswerken wurden auch Kirchen, Konsumentenorganisationen und Medien eingespannt.
Ziel war es, Druck auf die Grossverteiler zu machen. «Vorbehalte hatten diese unter anderem bezüglich der Zuverlässigkeit der Kleinbauern und bezüglich der Qualität», erinnert sich Rolf Buser. Ein Austausch mit Importeuren und Kaffe-Röstern aus Holland hätten diese Vorbehalte aber aus dem Weg räumen können.
Migros und Coop entscheiden fast gleichzeitig
Druck gemacht haben dürfte laut Rolf Buser auch ein Beitrag der SRF-Sendung «Kassensturz». Diese berichtete im Herbst 1991 ausführlich über den Kaffeehandel und über das Projekt Max Havelaar in den Niederlanden.
«Migros und Coop teilten danach innerhalb von 24 Stunden mit, Fairtrade-Kaffee ins Sortiment aufzunehmen.»
In den Jahren darauf folgten Honig, Kakao, Zucker, Tee und 1997 auch Bananen. Ein Meilenstein sei das gewesen, meint Rolf Buser: «Es war das erste zertifizierte Frischprodukt – und es war jenes Produkt mit dem grössten Marktpotential.» Letztendlich habe die Banane auch die Basis gelegt für die Eigenfinanzierung der Stiftung. Heute erreicht die Max-Havelaar-Banane einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent.
Gefahr der Verzettelung
In den vergangenen 25 Jahren ist die Stiftung Max Havelaar stark gewachsen. Immer mehr Produkte wurden zertifiziert – heute gibt es auch Blumen, Wein, Kleider, Sportbälle und Gold mit dem Gütesiegel. Insbesondere letzteres ist aber bislang keine Erfolgsgeschichte: Goldschmiede klagen über Engpässe und es ist kaum Nachfrage vorhanden («Espresso» berichtete).
Will Max Havelaar zu viel? «Ja und nein», lautet Rolf Busers diplomatische Antwort. Zwar mache es durchaus Sinn, die Produktepalette auszuweiten.
«Fairtrade hat ja immer auch eine Signalwirkung für die Wirtschaft bezüglich nachhaltiger Produktion. Umgekehrt können aber bereits zertifizierte Produzenten häufig nur einen geringen Teil ihrer Produktion zu Fairtrade-Bedingungen verkaufen.»