Am 14. März 1993 war es so weit: René Baumann – besser bekannt als DJ Bobo – stiess mit «Somebody Dance With Me» auf Platz 1 der Schweizer Hitparade vor. Später gab er zu, das Lied teilweise geklaut zu haben, von US-Sänger Rockwell («Somebody’s Watching Me»). Die Plagiatsvorwürfe minderten aber weder den Erfolg von Bobos erstem Hit, noch den Verlauf seiner weiteren Karriere.
Auch international stürmte das Lied die Charts und DJ Bobo wurde schon bald zum grossen Star der Eurodance-Szene. Bis heute ist er der kommerziell erfolgreichste Schweizer Musiker mit den meisten verkauften Alben, auch wenn es schon länger keine neuen Hits mehr von ihm gab.
Ihren Anfang nahm die Karriere des Bäcker-Lehrlings in den 1980er-Jahren im ehemaligen Jugendhaus Tuchlaube in Aarau. In seiner Freizeit war Baumann, der aus dem Nachbardorf Kölliken stammt, als Graffiti-Künstler und Breakdancer unterwegs, seine Tanzkünste präsentierte er auch im Jugendhaus.
Getanzt hat niemand. Er hat am Anfang nicht unbedingt den Geschmack der Leute getroffen.
Einige Zeit später wagte sich Baumann dann auch an die Plattenteller, allerdings mit mässigem Erfolg, wie sich der ehemalige Aarauer Jugendarbeiter Silvio Grosswiler erinnert: «Getanzt hat niemand. Er hat am Anfang nicht unbedingt den Geschmack getroffen.»
René habe seine Musik, den Hiphop, aufgelegt. Das habe nicht funktioniert. Allerdings habe er schnell gelernt, dass er mit dem Publikum in Kontakt treten und erkennen muss, was dieses sich wünsche. «Das hat er in meinen Augen exzellent beherrscht. Er hat das Publikum quasi entführt und eine Art Abendreise gemacht.»
Er hat schnell gelernt, dass er mit dem Publikum in Kontakt treten muss.
Die Fangemeinde wuchs schon kurz darauf rasant, schon bald durfte er in Clubs auflegen. Seine ersten Platten wurden zwar noch ein Reinfall, ab 1993 begann er dann aber zahlreiche Titel mit Hit-Potential zu produzieren.
Viele dieser Lieder kann die Aargauer Historikerin Ruth Wiederkehr, als Teenager selber Bobo-Fan, noch heute auswendig. Für das Buch «Zeitgeschichte Aargau» hat sie sich beruflich mit Kunst und Kultur der 1990er-Jahren im Kanton Aargau befasst.
Für DJ Bobo sei es eine gute Zeit gewesen. «Die Jugendlichen hatten damals gewisse Freiräume, es gab Jugendhäuser und Orte, wo Konzerte stattfinden und wo DJ Bobo auflegen konnte.» Das habe auch mit der Deindustrialisierung zu tun gehabt, in deren Zuge gerade im Industriekanton Aargau leerstehende Fabrikhallen für andere Nutzungen verfügbar wurden.
Der Aargau entwickelte sich zu einem richtigen Openair-Kanton.
Auch wurden in den 1990er-Jahren immer mehr Musikfestivals gegründet. «Der Aargau entwickelte sich zu einem richtigen Openair-Kanton. 2001 war der Aargau der Kanton mit den meisten Musik-Openairs in der ganzen Schweiz.» In der Kultur habe man damals generell eine Tendenz zur Erlebnisorientierung feststellen können, was sich auch in der fröhlichen Musik des Eurodance zeigte. «Der eiserne Vorhang war gefallen. Es gab zu Beginn der 1990er-Jahre einen grossen Optimismus in Bezug auf die Welt und ihr Fortkommen.»
Der ehemalige Jugendarbeiter Silvio Grosswiler hatte René Baumann eine ganze Weile aus den Augen verloren, nachdem dieser nicht mehr im Jugendhaus Stammgast gewesen war. Umso grösser die Überraschung, als DJ Bobo plötzlich omnipräsent war mit seiner Musik und seinen Shows. Für Grosswiler ist klar, dass Bobo ein spezielles Talent hat: «Das kann nicht jeder, dafür muss man fast geboren sein. Es ist wichtig, das Herz der Leute zu erreichen.» Das scheint DJ Bobo offensichtlich immer noch zu gelingen – 30 Jahre nach seinem Nummer-1 Hit «Somebody Dance With Me».