Es waren damals ungewohnte Bilder: Junge Männer und Frauen sitzen gemeinsam im Tarnanzug in einem Waldstück und erholen sich von einer Übung. In wenigen Wochen werden sie zum Fahrer beziehungsweise zur Fahrerin ausgebildet. An dieser ersten gemischten Rekrutenschule in Burgdorf im März 1993 nahmen 16 Frauen und rund 100 Männer teil.
Zuvor wurden Rekrutinnen und Rekruten getrennt ausgebildet. Frauen durften ohnehin nur wenige Funktionen in der Armee ausüben. Willkommen waren sie unter anderem im Sanitätsdienst, in Feldpostbüros oder Truppenküchen.
Ein gelungener Pilotversuch
Die erste gemischte RS, ein Pilotversuch, sei deshalb ein wichtiger Schritt für die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Armee gewesen. Davon ist Sibylle Freudweiler-Haab überzeugt. Sie ist Oberst a.D. und hat während über 30 Jahren Militärdienst geleistet. «Die gemischte Rekrutenschule hat gezeigt, dass die Ausbildung nicht mehr getrennt erfolgen muss und erfolgreich zusammen durchgeführt werden kann. Sie hat damit auch die Grundlage gelegt, dass Frauen in vielen Funktionen und heute in allen Funktionen mit den Männern zusammen eingesetzt werden können», so Freudweiler-Haab.
Trotzdem hat es nach der ersten gemischten RS nochmals zehn Jahre gedauert, bis Frauen alle Funktionen in der Armee ausüben durften und gleich bewaffnet wurden wie Männer. Auch Einsätze mit der Swisscoy in Kosovo sind für Frauen erst seit knapp 20 Jahren möglich.
Leutnant sieht Verbesserungspotential
Wie steht es heute um die Stellung der Frauen in der Armee? «Gut», sagt Carmen Affentranger. Sie ist Leutnant und Präsidentin des Vereins FiT – Frauen im TAZ (Tarnanzug). Frauen in der Armee hätten nun dieselben Rechte und Pflichten wie Männer.
Trotzdem sieht sie noch Verbesserungspotential: «Die Armee ist ein männlich geprägtes System. Es gibt sehr wenige Frauen in der Armee. Das führt dazu, dass die Stärken, die in der Armee gefördert werden, oder Bilder, wie jemand führen sollte, klar männlich geprägt sind. Ich wünsche mir, dass es mehr Platz gibt für die Stärken der Frauen und ihre Arten zu führen», sagt Affentranger.
Sie gibt ein Beispiel. «Ich habe keine so laute Stimme wie ein Mann. Ich habe mich oft darüber geärgert, als gesagt wurde, dass ich lauter sprechen soll, denn auch mit leiserer Stimme kann ich gut einen Zug führen. Ich mache es anders und es funktioniert auch.»
Auch, wenn Frauen mittlerweile gut in die Armee integriert sind, ein grosser Unterschied bleibt: Im Gegensatz zu den Männern leisten die Frauen ihren Dienst freiwillig. Gut möglich, dass auch diese letzte Ungleichheit noch fällt, denn der Bund prüft zurzeit unter anderem, die Dienstpflicht auf Frauen auszuweiten.