Als Simonetta Sommaruga, Viola Amherd und Karin Keller-Sutter zur Welt kamen, hatten sie keine Bürgerrechte. Heute regieren sie unser Land. Oder wie Justizministerin Karin Keller-Sutter es formulierte: «Wenn man so will, ist die Schweiz erst seit 1971 eine ganze Demokratie.»
Ein Musikwissenschaftler sagte mir vor meinem Konzert: Frauen können nicht Beethoven spielen.
Als junge Frau sei die Vorstellung, eines Tages Bundesrätin zu werden, weit weg gewesen, sagte UVEK-Vorsteherin Sommaruga. Sie habe damals erlebt, wie man Frauen gewisse Dinge nicht zutraute. Unmittelbar vor einem Beethoven-Konzert raunte ihr ein Musikwissenschaftler zu, Frauen seien nicht fähig, diese Stücke zu spielen. «Dieser Moment ist mir wirklich eingefahren», so Sommaruga.
Das sollte doch ein Mann sein, ein Offizier.
Auch Keller-Sutter wurde mit Vorurteilen konfrontiert. Als sie mit 36 Jahren in die St. Galler Kantonsregierung gewählt wurde, sei immer wieder der Satz gefallen: «Das sollte doch ein Mann sein, ein Offizier.» Das habe sie erstaunt, weil in ihrer Kindheit nie einen Unterschied zwischen sich und ihren drei älteren Brüdern wahrgenommen habe. «Meine Eltern haben uns alle gleichbehandelt.»
Bei mir schaut man ein bisschen genauer hin, ob ich es richtig mache, als bei einem Mann.
Viola Amherd, die erste Verteidigungsministerin der Schweiz, ist sich auch heute noch bewusst: «Bei mir schaut man ein bisschen genauer hin, ob ich es richtig mache, als bei einem Mann.» Davon habe sie sie sicher aber nie abschrecken lassen. Im Gegenteil – es hat sie dazu motiviert, sich noch bemerkbarer zu machen und andere Frauen zu unterstützen.
Drei Frauen, die zusammenspannen
Was deutlich wurde: Diese Frauen haben viel gemeinsam, so unterschiedlich ihre politischen Positionen und ihre Lebensläufe auch sein mögen. Und: Sie arbeiten gern und gut zusammen. «Zu dritt bringen wir immer eine Mehrheit zustande», sagte Sommaruga mit einem Schmunzeln. «Wir finden immer einen Mann, der hilft.» Und fügte hinzu: «Es ‹fägt› mit meinen beiden Kolleginnen!»
Im ersten Jahr der Pandemie war dieser Zusammenhalt besonders wichtig. «Wir mussten unter Zeitdruck Entscheidungen fällen, die für jede einzelne Person in diesem Land von allergrösster Tragweite waren», so Sommaruga, die 2020 Bundespräsidentin war. Da habe es teilweise «riesige Auseinandersetzungen» gegeben. Doch am Ende habe man immer einen gemeinsamen Weg gefunden. «In diesem ganzen Jahr haben wir im Bundesrat kein einziges Mal abgestimmt.»
Bei Gleichberechtigung noch nicht am Ziel
Wie anspruchsvoll dieses Amt ist, machte Keller-Sutter deutlich: «Wenn man ganz ehrlich ist, lebt man vor allem für diese Funktion.» Das habe sie während ihrer Regierungszeit in St. Gallen gelernt. «Damals waren viele Freundschaften auf Eis gelegt. Jetzt versuche ich, das bewusst zu pflegen.»
Wenn Frauen die Chance haben, ein interessantes Amt zu bekommen, müssen sie auch den Mut haben, Ja zu sagen.
Was alle drei Bundesrätinnen betonen: Sie wären nicht, wo sie heute sind, ohne den Mut und die Hartnäckigkeit ihrer Vorkämpferinnen.«Diese Frauen mussten viel in Kauf nehmen, um ihre Meinung zu vertreten», sagte Amherd. Etwas von diesem Geist brauche es auch noch heute: «Wenn Frauen die Chance haben, ein interessantes Amt zu bekommen, müssen sie auch den Mut haben, Ja zu sagen.»