Es war 23. März 1969, als an den Schweizer Kiosken erstmals überhaupt eine Schweizer Sonntagszeitung auflag. Der «Sonntagsblick» aus dem Hause Ringier. Der damalige Chefredaktor Hans Jürg «Fibo» Deutsch erinnert sich, wie der damalige Frontaufmacher zustande kam.
SRF News: 50 Jahre – bei Menschen ist das oft die Midlife-Crisis. Steckt der «Sonntagsblick» schon mittendrin?
Fibo Deutsch: Nein. Der «Sonntagsblick» hat verschiedene Phasen durchgemacht. Er hat sich immer wieder wie eine Schlange gehäutet und ist in neuer Frische und mit neuem Aussehen und Kraft aus der alten Haut hervorgegangen.
Die Sonntagspresse hat es in der Schweiz zunehmend schwerer. Warum?
Das Bedürfnis nach Information kann heute schnell durch das Internet gestillt werden. Vor 50 Jahren gab es das nicht. Es war einer der Gründe, warum man den Sonntagsblick gründete. Heute wird Information pausenlos auf vielen Kanälen geliefert.
Braucht es die Sonntagspresse überhaupt noch?
Es ist die grosse Herausforderung für die Verlage, ein Produkt zu entwickeln, das sich vom Internet unterscheidet – in Qualität, Angebot, Form und Lesbarkeit. 85 Prozent der Informationen werden heute per Smartphone konsumiert. Ein solches Gerät bietet aber nicht das Gleiche wie eine schöne farbige Doppelseite in einer Wochenzeitung.
Waren Sie zufrieden mit der Frontseite, als sie damals die erste Ausgabe des Sonntagsblicks in den Händen hielten?
Rückblickend bin ich entsetzt über das, was wir damals gemacht haben. Wir sind da wirklich ein bisschen in dieses Neuland reingestolpert. In der Meinung, das kommt dann schon irgendwie mit der Aktualität und wir machen damit am Samstag eine Zeitung. Wir waren dann überrascht vom Angebot beziehungsweise Nicht-Angebot. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass die Depeschenagentur das Angebot am Samstag mangels Nachfrage reduzierte. So flüchteten wir uns ins einzig Aktuelle – ein Fussballergebnis: Sion gegen Basel 2:2.
Was macht guten Boulevard aus?
Guter Boulevard ist unterhaltende Information. Sie muss unterhaltend sein. Eine Mischung, die so dargeboten wird, dass sie jeder versteht, dass sie farbiger ist, dass sie mehr Bilder hat. Nach dem alten Spruch, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt. Es ist die lockere, die flockigere, die amüsantere Information. Ein bisschen auch mit Spass. Aber sicher im Hintergrund doch die Information: ernsthaft, glaubwürdig, aber in einer Form, die leichter konsumierbar ist.
Ein Produkt, das sich vom Internet unterscheidet – das ist die grosse Herausforderung.
Der Boulevard hat teilweise immer noch ein schlechtes Image. Zu Unrecht?
Es gibt guten und schlechten Boulevard. Hinter dem guten Boulevard stehe ich voll und ganz. Das ist wirklich eine Kunst. Das kann man nicht einfach so nebenbei machen. Es braucht vermutlich fast den grösseren Einsatz, guten Boulevard zu machen als nur normale Berichterstattung.
Was würden Sie bei Sonntagsblick Neues einführen, wenn sie freie Hand hätten?
In der Schweiz wird die ganze Berichterstattung über Gesundheit vernachlässigt. Gesundheit aber ist das, was alle Menschen eigentlich am meisten interessiert. Es geht nicht einfach um Medizin oder die neuesten Alzheimerforschungsresultate. Es ist alles, was den Körper angeht. Zur Gesundheit gehören im weitesten Sinne auch Sex und Erotik. Also wie man sich mit seinem Körper abgibt. Das wäre ein Feld, dass ich noch gerne bearbeiten würde.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.