2023 steigt die mittlere Krankenkassen-Prämie um 6.6 Prozent. Der starke Anstieg ist vor allem auf die Covid-19-Pandemie und auf einen Nachholeffekt zurückzuführen, wie Gesundheitsminister Alain Berset sagte. Im Interview mit SRF erklärt der SP-Bundesrat, wie man das Problem am besten angehen könnte.
SRF News: Man hat Prämien-Erhöhungen von bis zu zehn Prozent erwartet, nun sind es ‹nur› 6.6 Prozent. Was ist los?
Alain Berset: 6.6 Prozent ist hoch, wenn wir ehrlich sind. Die Zahl entspricht etwa dem, was die Versicherungen dem BAG gemeldet haben.
Was waren die Kostenblöcke für diese Erhöhung?
Während der Pandemie waren die Kosten noch ok; es gab zwar viel Druck auf das Gesundheitssystem, aber die Kosten waren nicht viel höher. Was aber zu erwähnen ist, dass während der Pandemie viele Menschen in der Schweiz auf einen Arztbesuch verzichtet haben. Nun gehen die Leute wieder vermehrt zum Arzt, dies sehen wir auch in unserem Umfeld. In den letzten sechs Monaten sind die Kosten sehr stark angestiegen, bspw. bei den ambulanten Behandlungen in den Spitälern oder bei der Physiotherapie. Die Gesamtrichtung zeigt wieder nach oben und wir müssen aufpassen.
Durch die Pandemie waren die letzten Jahre sehr unübersichtlich.
Wie sieht die Entwicklung für die nächsten Jahre aus?
Das ist schwierig vorherzusagen. Durch die Pandemie waren die letzten Jahre sehr unübersichtlich. Es könnte aber tatsächlich sein, dass diese Erhöhung für 2023 primär ein Nachholeffekt ist.
Offenbar haben Sie die Krankenkassen in den letzten Jahren unter Druck gesetzt, die Reserven aufzulösen. Deshalb waren die Prämien die letzten Jahre eher tief. Ist dies nach wie vor so?
Es war wichtig, den Krankenkassen zu sagen, dass sie knapp kalkulieren sollen.
Es war wichtig, den Krankenkassen zu sagen, dass sie knapp kalkulieren sollen. Die Kassen hatten doppelt so hohe Reserven als vorgeschrieben. Kantone und auch das Parlament haben daraufhin auf die Krankenkassen Druck ausgeübt und gesagt, das müsse geändert werden. Die Reserven sind genau für solche Gelegenheiten wie jetzt angedacht.
Sie sind auch Sozialminister. Sie müssten sehr besorgt darüber sein, dass die Prämien mittlerweile einen grossen Teil der Haushalts-Budgets wegfressen. Was können Sie dagegen tun?
Wir müssen auf der Kostenseite dezidiert handeln. Die Kosten verursachen wir alle; mit Behandlungen, Medikamenten, mit allem. Wir brauchen hier Transparenz und ein grosses Engagement seitens der Politik und auch von den Leistungserbringern. Auf der anderen Seite haben wir die Prämienverbilligungen, welche nächstes Jahr erhöht werden. Und hier müssen auch die Kantone mehr mitmachen als jetzt.
Wir werden als Gesellschaft immer älter.
Seit Sie Gesundheitsminister sind, sagen Sie, dass man die Kosten in den Griff kriegen müsse. Sie steigen aber seit Jahren immer weiter...
Und sie werden auch weiterhin steigen.
Genau.
Und wissen Sie, wieso? Wir werden als Gesellschaft immer älter. Es gibt neue Innovationen und Medikamente, von welchen wir profitieren. Daneben gibt es die vermeidbaren Leistungen, unnötige Operationen. Hier muss die Effizienz gesteigert werden.
Wir sind dem Kostenwachstum nicht einfach ausgeliefert.
Wir haben aber bereits viel gemacht. Der Bundesrat hat seit Jahren dezidiert gehandelt: Tarmed-Korrektur, Einsparungen bei Medikamenten und andere Punkte. Wir müssen nun mit dem Parlament zusammenarbeiten. Zwei grosse Pakete mit Dämpfungsmassnahmen sind im Parlament. Die letzten fünf Jahre, inklusive nächstes Jahr, stiegen die Prämien durchschnittlich um 1.5 Prozent pro Jahr. Das ist ok, und nicht dermassen viel. In den fünf Jahren vorher waren es im Schnitt 3.8 Prozent pro Jahr. Das zeigt: Wir sind dem Kostenwachstum nicht einfach ausgeliefert.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.