Hinter der Mauer ragt ein riesiger Baobab-Baum in den Himmel. Aber um diese Tageszeit bietet er keinen Schatten. Also sitzen die gut 20 Schüler unter einem kleineren Baum, an einer Hauswand, eng beieinander.
Wir sind am Stadtrand von Kaffrine. Rund fünf Autostunden von Dakar entfernt, im Zentrum des Senegal. Eine der ärmsten Gegenden des Landes. Der deutschsprachige Wikipedia-Artikel zu Kaffrine ist fünf Zeilen lang. Und beschreibt den Ort als «Raststation» für die Nationalstrasse N1, die mittendurch führt. 40'000 Menschen leben hier.
Die Schüler hören geduldig zu, während ihr Lehrer spricht. Die jungen Zuhörer nennt man in Westafrika Talibé, ein Lehnwort aus dem Arabischen für Schüler. Ihre Lehrer heissen Marabouts.
Heute hören sie von der Nächstenliebe, von der Wichtigkeit, für andere da zu sein. Wir besuchen eine Daara, eine Koranschule.
Lesen, Schreiben und der Koran
Die Daara, die wir in Kaffrine besuchen, ist anders. Sie wird von der Hilfsorganisation «Save the Children» betreut, zusammen mit sechs weiteren Koranschulen. Ein Projekt, das wiederum von der Glückskette zu 80 Prozent finanziert wird. 405'000 Franken über zwei Jahre mit Spendengeldern aus der Schweiz.
Die Talibés, hier am Stadtrand von Kaffrine, müssen deshalb nicht betteln gehen. Geprügelt werden sie auch nicht. Sie lernen neben dem Koran auch Lesen und Schreiben.
Nicht nur in Kaffrine, im ganzen Senegal, sieht man viele Buben, die meisten noch keine zwölf Jahre alt sind, mit Plastikeimern in der Hand. Der Deckel auf dem Eimer hat nur einen schmalen Schlitz. Und lässt so keinen Zweifel: Sie sammeln Geld. Keine Nahrungsmittel, wie das früher Brauch war. Früher wurden das Essen dann unter den Talibés aufgeteilt. Heute sind die meisten traditionellen Daaras reine Ausbeutungsmaschinen, die der Bereicherung der Marabouts dienen. Daaras, wie die in Kaffrine, wollen diesen Armutskreislauf durchbrechen.
Gegen Armut geht es auch bei den anderen Projekten, die die Glückskette im Senegal unterstützt. Mit einem Median-Alter von 18 Jahren (in der Schweiz liegt es bei knapp 43 Jahren) ist die senegalesische Bevölkerung ausgesprochen jung. Und wenn von all diesen jungen Leuten im Senegal nur gerade 27 Prozent einen Abschluss der Sekundarstufe haben, dann braucht es nicht viel Fantasie, um sich die Zukunftsaussichten der anderen 73 Prozent auszumalen.
Ausbildungen für junge Frauen
Da geben das Alphabetisierungs-Projekt von «Alphadev» und das Ausbildungsprogramm von «Terre des Hommes Suisse» für SchulabbrecherInnen in der Hauptstadt Dakar zusammen Gegensteuer. Die Jugendlichen lernen hier Lesen und Schreiben. Und werden zu Näherinnen, Automechanikerinnen, Elektrikerinnen und Metallbauerinnen ausgebildet. 80 der 132 Lernenden sind junge Frauen.
Oder dann das Projekt von «Iamaneh Schweiz»: Hier geht es um Teenager-Schwangerschaften und die Förderung der Sexualerziehung. Frühe Schwangerschaften verurteilen Mädchen im Senegal in der Regel zu einem Leben in bitterster Armut.
Die jungen Menschen im Senegal wissen kaum etwas von der Schweiz. Und nichts von den Menschen dort, die ihnen eine Zukunftsaussicht mit ihren Spenden ermöglichen. Das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist die Aussicht auf ein Leben, das zum Beispiel unweit eines mächtigen Baobab-Baums eine Wende zum Besseren nimmt.