In Fachkreisen wird eine Modernisierung der Matura befürwortet – aber nicht alle Vorschläge stossen auf Gegenliebe. Gross ist die Skepsis vor allem gegenüber dem Vorschlag, den Weg zur Matura in eine Grund- und in eine Vertiefungsphase bestehend aus je zwei Jahren zu unterteilen, wie das die Aargauer Gymnasien schon heute tun.
Lucius Hartmann, Präsident des Vereins Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und -lehrer, sagt es so: «Wir sind überzeugt, dass dieser Vorschlag mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringt.» Die Schwierigkeit liege vor allem darin, dass gemäss dem Vorschlag die Fächerdichte in den ersten zwei Jahren enorm gross sei und andererseits in der Vertiefungsphase viele Fächer nicht mehr unterrichtet würden.
Die Aufteilung in Grund- und Vertiefungsphase bringt mehr Nachteile als Vorteile.
«Durch den Vergessenseffekt geht so viel Wissen schon vor der Matura wieder verloren», befürchtet Hartmann. Er selber unterrichtet im Kanton Zürich. Ähnliche Befürchtungen äussern die Mittelschulämter der Kantone Bern, Luzern und Uri.
Derweil können sich die Schulleitungen eine vorgegebene Struktur durchaus vorstellen. Mit der Vertiefungsphase werde der Entwicklung der Schülerinnen und Schüler Rechnung getragen, sagt Stefan Zumbrunn, Präsident der Konferenz der Gymi-Rektorinnen und -Rektoren. Für grössere Lerneinheiten oder selbstorganisiertes Lernen wäre so mehr Platz. «Deshalb ist das der richtige Weg.»
Im Rahmen der internen Konsultation sind auch andere Varianten eingereicht worden, die das strikte zwei-Mal-zwei-Muster aufbrechen wollen, beispielsweise aus den Kantonen Luzern und Baselland. Deshalb werde die weitere Diskussion zeigen, was genau festgelegt werde, so Zumbrunn.
Gegen noch mehr Matura-Fächer
Die Reform betrifft zudem nicht nur die Gliederung des gymnasialen Weges. Sie setzt auch bei den Fächern an: So sollen neue Fächer wie Informatik, Wirtschaft und Recht, Religionen oder Philosophie dazukommen. Aus heute zehn Grundlagen-Fächern, die für die Matura zählen, würden so 14 oder 16.
Diese Idee stösst auf wenig Gegenliebe – weder bei den Schulleitungen noch bei der Lehrerschaft. Wenn neue Fächer hinzukämen, müsse man bereit sein, sich von bisherigen Fächern zu trennen, betont Rektor Zumbrunn. «Denn bereits heute besuchen die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten bis zu 15 Fächer parallel während eines Schuljahres.»
Befähigung zum Studium
Und für Gymnasiallehrer Hartmann ist ausschlaggebend, dass die Maturandinnen und Maturanden über jenes Wissen verfügten, das sie befähigt, ein Studium aufzunehmen und später wichtige Funktionen in der Gesellschaft übernehmen zu können. «Da braucht es bis zu einem gewissen Grad auch Mut zur Lücke.»
Die Matura-Reform ist eine Gratwanderung: Wie weit soll man die Ausbildung zur Mittleren Reife modernisieren und neue Fächer einbeziehen – und dafür andere wie die Sprachen oder Naturwissenschaften zurückstufen? Sicher nur so weit, dass trotzdem allen nach der Matura die Hochschulen mit allen Fächern offenstehen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Bildungsfragen unter Kantonshoheit stehen und die einzelnen Kantone an ihren Bildungswegen festhalten möchten. Dennoch sollte ein Matura-Abschluss in der Ostschweiz mit einem in der West- oder Zentralschweiz vergleichbar sein. Kurz: Die Reform der Matura ist eine Knacknuss.