Zum Inhalt springen

Aargauer Naturschutzgebiet Herzig, aber problematisch: Wildschweine am Stausee Klingnau

Fünf Frischlinge erfreuen Naturfreunde und Spaziergängerinnen am Klingnauer Stausee. Sie scheuen Menschen nicht. Das könnte zum Problem werden, sagen Experten.

Sie sind jung, süss, gestreift und für einmal nicht versteckt im Wald: Frischlinge, junge Wildschweine, am Stausee im aargauischen Klingnau. Die Fünf zeigen keine Menschenscheu. Ihre Mutter ist verstorben, aber sie finden offenbar genug Futter, um gut zu überleben.

Das freut die vielen Besucherinnen und Ornithologen, die täglich den Klingnauer Stausee aufsuchen. Doch die Tiere könnten zum Problem werden.

Neue Attraktion am Klingnauer Stausee

Die kleinen Wildschweine sind acht bis zehn Kilogramm schwer und sind noch gestreift. Offenbar lebt ihre Mutter nicht mehr, gefunden hat man sie aber nicht. Es sei kein Muttertier von einem Auto angefahren worden, und auch im Rechen des Stausees wurde kein Kadaver gefunden, heisst es auf Anfrage beim kantonalen Reservatsaufseher Thomas Amsler. Auch ohne Muttermilch seien die Frischlinge aber erstaunlich fit.

Keine Angst vor Menschen

Rund um den Klingnauer Stausee bewegen sich viele Spaziergänger und Ornithologen. Das eidgenössische Naturschutzgebiet von internationaler Bedeutung ist für die vielen und seltenen Vogelarten bekannt und geschützt.

Dass neben den Vögeln jetzt auch neue Wildtiere zur Sensation werden, war nicht absehbar. «Die Säuli haben keine Fluchtdistanz zum Menschen. Es hängt von uns Menschen, Ornithologen, Stauseebesuchenden und Fotografinnen ab, ob sich das zu einem Problem entwickelt», sagt Reservatsaufseher Thomas Amsler.

Wenn die Tiere gefüttert würden, bedrängen sie die Menschen. Das darf nicht passieren.
Autor: Thomas Amsler Kantonaler Reservatsaufseher Klingnauer Stausee

Wichtig sei, dass niemand die Tiere füttere, sagt Thomas Amsler. Deshalb haben die Zuständigen nun Plakate am Stausee aufgehängt, in der Hoffnung, dass die Menschen sich an die Regeln halten. «Man soll sich den Tieren nicht proaktiv nähern, sie nicht anfassen, den Tieren Platz machen, wenn sie kommen.» Zudem darf man sie – wie bei allen Wildtieren – nicht füttern. «Geschieht das, werden die Tiere fordernd und bedrängen die Menschen. Dann haben wir ein Problem», sagt Amsler

Plakate
Legende: Plakate informieren Besuchende des Klingnauer Stausees über die neuste Attraktion und erklären, warum das «Füttern verboten» einzuhalten ist. SRF/Alex Moser

Wenn die Tiere zum Problem werden, darf man sie im Naturschutzgebiet nicht jagen. Das ist absolut verboten. Es bräuchte eine Ausnahmebewilligung des Bundes. Einfangen sei auch keine Option, sagt der Reservatsaufseher. Tierparks und Zoos hätten genug eigene Wildschweine und keinen Platz für die fünf Frischlinge aus dem Aargau.

Kanton will zuwarten

Momentan wird die Situation beobachtet. Im Idealfall würden die Wildschweine weiterziehen, hoffen die Zuständigen. Es gebe viele Wildschweine in der Region, einfach keine, die den Menschen so nah kommen, sagt Thomas Amsler.

Portrait vor Tafel
Legende: Thomas Amsler, kantonaler Reservatsaufseher am Klingnauer Stausee, hofft auf die Vernunft der Besuchenden. Sie sollen die jungen Tiere auf keinen Fall füttern, appelliert er. SRF/Alex Moser

Ob sich der Mensch ans Fütterungsverbot hält? Thomas Amsler bleibt optimistisch: «Die Hoffnung stirbt zuletzt.»

Klar ist: Die Wildschweine bleiben nicht für immer klein und süss. Bald sind sie gross und können für den Menschen eine Bedrohung werden: «Die Tiere werden kräftiger. In ein paar Monaten wiegen sie 20 bis 30 Kilogramm.»

Dass erwachsene Tiere von Menschen Futter fordern oder angriffig werden, ist unter anderem aus Berlin bekannt. Dort tauchen Wildschweine auf Nahrungssuche immer wieder im Wohngebiet auf.

Oberster Jäger: «Es ist nur eine Frage der Zeit»

Box aufklappen Box zuklappen
Wildschwein
Legende: Ein erwachsenes Wildschwein könnte für Menschen eine Bedrohung darstellen, sagt der oberste Jäger im Aargau. Keystone/dpa/Michael Probst

Rainer Klöti ist Präsident des Vereins Jagd Aargau. Er glaubt nicht, dass sich die Menschen an das Fütterungsverbot halten, sagt er im Interview mit SRF. «Die Wildschweine werden lernen, dass der Mensch keine Gefahr darstellt. Es ist eine Frage der Zeit, bis es Zwischenfälle gibt.»

Eigentlich müssen die Aargauer Jägerinnen und Jäger möglichst viele Wildschweine schiessen, auch Junge, heisst es in der Broschüre des Kantons.

Aber: Die Aargauer Jäger sind in Naturschutzgebieten nicht für die Jagd zuständig. Hier ist der Kanton am Drücker, betont Rainer Klöti. Der Kanton befinde sich im Dilemma zwischen Naturschutz und dem Interesse der Bevölkerung. Er verstehe, dass die Zuständigen des Kantons abwarten, sagt er weiter.

In diversen Medienberichten ist die Rede von Angriffen durch Wildschweine. Sie attackieren Menschen oder Hunde. Eine Situation, die es am Klingnauer Stausee zu vermeiden gilt. Für den obersten Jäger im Kanton, Rainer Klöti, ist klar: Die Zeit tickt. Die Wildschweine würden mit der Zeit lernen, dass der Mensch keine Gefahr darstellt.

Regional Diagonal, 8.3.2025, 12:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel