Sie sind jung, süss, gestreift und für einmal nicht versteckt im Wald: Frischlinge, junge Wildschweine, am Stausee im aargauischen Klingnau. Die Fünf zeigen keine Menschenscheu. Ihre Mutter ist verstorben, aber sie finden offenbar genug Futter, um gut zu überleben.
Das freut die vielen Besucherinnen und Ornithologen, die täglich den Klingnauer Stausee aufsuchen. Doch die Tiere könnten zum Problem werden.
Neue Attraktion am Klingnauer Stausee
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Bild 1 von 5. Die Frischlinge würden eigentlich noch bei der Mutter säugen. Da die Mutter nicht mehr lebt, ist das nicht möglich. Bildquelle: zvg/Thomas Amsler.
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Bild 2 von 5. Nun suchen sie Futter am Stausee. Und werden dabei von den Ornithologen beobachtet, die ihre Kameras nicht auf seltene Vögel, sondern eben auf Wildschweine legen. Bildquelle: SRF/Stefan Ulrich.
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Bild 3 von 5. Beim näher Ranzoomen zeigt sich: So sehen die fünf aus, wenn sie am Stausee am helllichten Tag unterwegs sind. Bildquelle: zvg/Sarah Blumenstein Amsler.
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Bild 4 von 5. Dabei suchen die Wildschweine nach Essen und hinterlassen Spuren im Feld. Bildquelle: SRF/Alex Moser.
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Bild 5 von 5. Der Klingnauer Stausee mit den umliegenden Auengebieten gehört zu den wichtigsten Feuchtgebieten der Schweiz und ist ein Naturschutzgebiet von internationaler Bedeutung. Bildquelle: Wikimedia Commons/ EpsilonEridani.
Die kleinen Wildschweine sind acht bis zehn Kilogramm schwer und sind noch gestreift. Offenbar lebt ihre Mutter nicht mehr, gefunden hat man sie aber nicht. Es sei kein Muttertier von einem Auto angefahren worden, und auch im Rechen des Stausees wurde kein Kadaver gefunden, heisst es auf Anfrage beim kantonalen Reservatsaufseher Thomas Amsler. Auch ohne Muttermilch seien die Frischlinge aber erstaunlich fit.
Keine Angst vor Menschen
Rund um den Klingnauer Stausee bewegen sich viele Spaziergänger und Ornithologen. Das eidgenössische Naturschutzgebiet von internationaler Bedeutung ist für die vielen und seltenen Vogelarten bekannt und geschützt.
Dass neben den Vögeln jetzt auch neue Wildtiere zur Sensation werden, war nicht absehbar. «Die Säuli haben keine Fluchtdistanz zum Menschen. Es hängt von uns Menschen, Ornithologen, Stauseebesuchenden und Fotografinnen ab, ob sich das zu einem Problem entwickelt», sagt Reservatsaufseher Thomas Amsler.
Wenn die Tiere gefüttert würden, bedrängen sie die Menschen. Das darf nicht passieren.
Wichtig sei, dass niemand die Tiere füttere, sagt Thomas Amsler. Deshalb haben die Zuständigen nun Plakate am Stausee aufgehängt, in der Hoffnung, dass die Menschen sich an die Regeln halten. «Man soll sich den Tieren nicht proaktiv nähern, sie nicht anfassen, den Tieren Platz machen, wenn sie kommen.» Zudem darf man sie – wie bei allen Wildtieren – nicht füttern. «Geschieht das, werden die Tiere fordernd und bedrängen die Menschen. Dann haben wir ein Problem», sagt Amsler
Wenn die Tiere zum Problem werden, darf man sie im Naturschutzgebiet nicht jagen. Das ist absolut verboten. Es bräuchte eine Ausnahmebewilligung des Bundes. Einfangen sei auch keine Option, sagt der Reservatsaufseher. Tierparks und Zoos hätten genug eigene Wildschweine und keinen Platz für die fünf Frischlinge aus dem Aargau.
Kanton will zuwarten
Momentan wird die Situation beobachtet. Im Idealfall würden die Wildschweine weiterziehen, hoffen die Zuständigen. Es gebe viele Wildschweine in der Region, einfach keine, die den Menschen so nah kommen, sagt Thomas Amsler.
Ob sich der Mensch ans Fütterungsverbot hält? Thomas Amsler bleibt optimistisch: «Die Hoffnung stirbt zuletzt.»
Klar ist: Die Wildschweine bleiben nicht für immer klein und süss. Bald sind sie gross und können für den Menschen eine Bedrohung werden: «Die Tiere werden kräftiger. In ein paar Monaten wiegen sie 20 bis 30 Kilogramm.»
Dass erwachsene Tiere von Menschen Futter fordern oder angriffig werden, ist unter anderem aus Berlin bekannt. Dort tauchen Wildschweine auf Nahrungssuche immer wieder im Wohngebiet auf.
In diversen Medienberichten ist die Rede von Angriffen durch Wildschweine. Sie attackieren Menschen oder Hunde. Eine Situation, die es am Klingnauer Stausee zu vermeiden gilt. Für den obersten Jäger im Kanton, Rainer Klöti, ist klar: Die Zeit tickt. Die Wildschweine würden mit der Zeit lernen, dass der Mensch keine Gefahr darstellt.