Mit jedem politischen Amt schlüpft man in eine andere, in eine neue Haut. Didier Burkhalter war es nicht in allen Ämtern gleich wohl. Im Ständerat, da war der abtretende Bundesrat offen, fühlte er sich mehr daheim als im Nationalrat.
Ich fühlte mich immer ein bisschen zu Hause im Ständerat.
Dort, wo Form und gegenseitiger Respekt gross geschrieben wird, wo Polemik nicht erwünscht war, dort war ihm wohl in seiner Haut. Streit sei nicht Burkhalters Sache gewesen, bilanziert Nationalratspräsident Jürg Stahl. «Der Dissens gehört zur Demokratie, und da gehört es zur Aufgabe des Bundesrates dazu, auch mal Niederlagen einstecken zu können und nicht immer Zustimmung zu erhalten. Da hat er sich manchmal schwer getan.»
Genau dies sei Burkhalters Stärke, sagt der frühere FDP-Präsident Philipp Müller: «Wenn er etwas angepackt hat, dann mit totalem, kompromisslosem Engagement, weil es eben seine Überzeugung war, dass es das Richtige ist.»
Didier Burkhalter konnte Hitzköpfe kühlen
Eine Stärke des abtretenden Bundesrates war, mit eloquenter Art und ruhiger Stimme aufgekochte Diskussionen wieder zu beruhigen. Dies brachte ihm im Innendepartement aber nicht nur Lorbeeren ein. Reformen scheiterten im Parlament oder an der Urne.
Burkhalter wechselte ins Aussendepartement – auch kein Glückslos. Die Positionen waren noch verhärteter, innen- und aussenpolitisch. Die Schweiz ist auf der Bühne der Weltpolitik oft Statistin und nicht frei im Handeln. Der Bundesrat geriet in den Verdacht, ein Linksausleger der FDP geworden zu sein. «Er ist nicht links, er ist der Aussenminister der Schweizer», widerspricht SP-Aussenpolitiker Carlo Sommaruga.
2014 war sein Jahr
Im EDA trieb Burkhalter die Friedensförderung voran, baute die Entwicklungshilfe um. Besonders gelobt werden seine Auftritte auf der internationalen Bühne. Immer wieder hervorgehoben wird das Jahr 2014, wo er als Bundespräsident gleichzeitig die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit OSZE präsidierte und das heikle Europa-Dossier auf dem Pult hatte.
In wichtigen aussenpolitischen Dossiers blieb der Bundesrat immer in Sachzwängen gefangen. Ein dauernder Eierlauf: Mal brachte er Bern gegen sich auf, mal Brüssel. Nach den Worten von Nationalrat Sommaruga zog er sich deswegen in seinen Elfenbeinturm zurück.
Mit der Zeit zog er sich in seinen Elfenbeinturm zurück
Stählernes Abschiedsgeschenk
Die zweite Haut als Bundesrat muss dick sein. Aber: «Wenn man nicht mehr atmen kann wegen der zweiten Haut, dann muss man was ändern», sagte Didier Burkhalter in der SRF-Rundschau.
Als Abschiedsgeschenk wird ihm Nationalratspräsident Stahl ein Briefbeschwerer schenken. Aus Stahl. Geschliffen, aber mit Kanten. Klein, aber auf seine Art ein Schwergewicht.
Ein Sieg zum letzten Auftritt
Heute stimmte der Nationalrat für die Entwicklungshilfe-Quote von 0,5 Prozent und schenkte dem Bundesrat beim letzten Auftritt in der grossen Kammer einen Sieg. Es gab stehende Ovationen und ein sachliches Statement vom abtretenden Bundesrat: «Eigentlich mag ich Sie gerne. Und dass ich Ihre Entscheidungen manchmal nicht mag, ist auch normal in einer Demokratie.»