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«Früher war das Velo ein Massenverkehrsmittel»
Aus Rendez-vous vom 08.08.2018. Bild: Keystone
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Abstimmung am 23. September Das Velo will wieder mehr Strasse zurückhaben

Das Velo ist in den Städten vom Auto vielerorts verdrängt worden. Jetzt wollen die Velofahrer ihren Platz zurück.

«1936 kam auf vier Einwohner ein Velo – das Fahrrad war damals ein Massenverkehrsmittel», sagt die Verkehrshistorikerin Erika Flückiger. Die Strassen in den Städten gehörten damals dem Velo. Deshalb wollten die Radfahrerverbände mit dem Fahrrad auf der Strasse bleiben, als nach dem Krieg die Autos erschwinglich wurden. Entsprechend setzten sich die Verbände damals, anders als im nahegelegenen Ausland, nicht für getrennte Velowege ein.

Das Velo wurde von den Strassen verdrängt

Die Verbände hätten es verpasst, rechtzeitig eine Entwicklung einzuleiten, die den Radfahrern mehr Platz im Strassenraum gegeben hätte. «Man wollte sich nicht verdrängen lassen und Präsenz markieren», so Flückiger. Zu Beginn ging ein Nebeneinander von Velo und Auto problemlos. Beide fuhren innerorts etwa gleich schnell und es hatte Platz.

Doch dieses Modell hielt höheren Geschwindigkeiten und dem steigenden Verkehrsaufkommen nicht stand. Es geschah genau das, was die Radfahrerverbände vermeiden wollten: Das Velo wurde verdrängt. «Damit war in den 1950/60er-Jahren das Schicksal des Velos schon fast besiegelt», stellt Flückiger fest.

Zwei Velofahrer zwischen Trams eingeklemmt.
Legende: In manchen Städten bleibt nur wenig Platz für Velofahrer. Das soll sich ändern. Keystone

Velo-Aufbruch in den 1970er-Jahren

Bis in die 1970er-Jahre fehlte eine politische Lobby für das Velo im Alltagsverkehr. Erst dann meldeten sich die Velofahrer wieder zu Wort. So etwa anlässlich einer Demo in Zürich im Juni 1973, an der sich rund 100 Velofahrerinnen und -fahrer für das umweltfreundliche Fortbewegungsmittel einsetzten.

Zwar dauerte die Velo-Aktion in Zürich bloss wenige Minuten – doch die Forderung nach mehr Platz für die Velos auf den Strassen der Stadt blieben in den Köpfen drin. In dieser Zeit sei erstmals Kritik an der Stadtentwicklung laut geworden, die dem Auto alles untergeordnet hatte, so die Historikerin Flückiger. «Das war schlicht nicht mehr lebensgerecht.»

Forderung nach Velowegen

Die Stadtbevölkerung forderte ein Umdenken in der Planung. Die Forderung wurde von den Umweltbewegungen unterstützt und im Zuge der Ölkrise immer aktueller. Das Velofahren sei die energetisch ökonomischste Fortbewegungsart, hiess es etwa. Schliesslich entstand 1975 in Basel die erste «Interessengemeinschaft Velo», in anderen Städten wurden rasch weitere gegründet.

1979 verlangte die IG Velo in Bern Parkplätze für Velos in der Stadt, Velo-Fahrstreifen oder spezielle Zonen für Velofahrer und Fussgänger. Es folgten erste Versuche mit Velowegen durch verkehrsarme Quartiere oder Gratisvelos in der Stadt.

Nehmen sich die Velofahrer zuviel heraus?

In den 1980er-Jahren trat die IG-Velo zunehmend selbstbewusster auf. «Wir wollen Velowege nicht nur in den Aussenquartieren – sondern auch in der City und dort hindurch», sagte etwa ein Vertreter der Zürcher IG Velo. Dies könne wenn nötig auch auf Kosten von Auto-Fahrspuren geschehen.

Diese Forderung blieb nicht ohne Kritik in der Bevölkerung. Je mehr Privilegien man den Velofahrern zugestehe, je selbstbewusster würden die Fahrradfahrer – und je mehr Privilegien würden sie sich selber herausnehmen. Das könne auch gefährlich werden, hiess es etwa.

Heute gehört die Veloförderung mit dazu

Die IG Velo – heute heisst der Verband pro Velo – brachte sich in Städten und Kantonen ein, die Verkehrs- und Raumplanung wurde ganzheitlicher. Auf allen Ebenen entstanden Stellen für die Velo-Verkehrspolitik. Seit einem Jahrzehnt gibt es im Rahmen der Agglomerationsprogramme auch Beiträge des Bundes, etwa für Fahrradwege. «Dadurch hat sich die Veloförderung im städtischen Bereich stark verändert und institutionalisiert», so Verkehrshistorikerin Flückiger.

Heute entwickelt sich der Veloverkehr in den Städten als Teil des Alltagsverkehrs weiter. Das seit den 1950er-Jahren Verpasste wird also wettgemacht. Nicht zuletzt dank den Ideen aus den 1970er-Jahren.

Volksabstimmung am 23. September

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Am 23. kommt der Bundesbeschluss vors Schweizer Stimmvolk, der Velo-, Fuss- und Wanderwege in der Bundesverfassung verankert. Es ist dies ein Gegenvorschlag zur inzwischen zurückgezogenen Velo-Initiative. Der Passus stärke das Velowegnetz und bringe mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, sagen die Befürworter. Die Gegner finden, eine Förderung durch den Bund sei unnötig.

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