Morgens auf dem Hof der Familie von Vanessa Renfer: Ihr Lebenspartner füttert gerade die Hühner, die vier Kinder der Familie schlafen noch. Der Hof in Enges am Jurahang zwischen Neuenburger- und Bielersee ist idyllisch gelegen. Vom Hof aus sieht man über das ganze Mittelland und bis in die Alpen.
Renfer, die auch bei der Bauerngewerkschaft Uniterre im Vorstand sitzt, führt über den Hof zu den Kühen. Sie werden hier die ersten vier Wochen ihres Lebens aufgezogen und dann zum Mästen weitergegeben. Seit der Milchpreis auf unter 50 Rappen pro Liter gesunken ist, halten Renfer und ihr Lebenspartner Kühe nur noch, um das Fleisch zu verkaufen. Milch produzieren sie keine mehr.
Ohne Direktzahlungen geht gar nichts
Daneben haben sie Reben und auf einigen Hektaren Roggen, Weizen und Futtermais. All das zusammen bringt aber immer noch weniger Einkommen als die Direktzahlungen vom Bund, sagt Renfer. «Mit einer gewissen Ironie muss ich sagen: Unser Haupteinkommen sind die Direktzahlungen.» Man sei im System gefangen und könne mit den auf dem Hof produzierten Produkten nicht mehr Geld herausholen.
Der Hof hat eine überschaubare Grösse, Renfer und ihr Lebenspartner betreiben ihn ohne Angestellte. Ihre Produkte verkaufen sie kaum an Grossabnehmer, sondern sie pflegen den Direktverkauf an ihre Kunden. Das ist genau die Philosophie von Uniterre.
Die Kämpfer von Uniterre
Ein anderes Merkmal der Bauerngewerkschaft sind Kampfmassnahmen. Das letzte Mal schlug Uniterre vor zehn Jahren zu: Damals organisierte sie einen Milchstreik. Diesem schlossen sich hunderte Bauern an. Sie alle lieferten keine Milch mehr an die Grossverteiler und Verarbeiter, bis diese den Milchpreis erhöhten.
Renfers Lebenspartner, Etienne Richard, war sogar schon 2001 mit von der Partie. Damals blockierten Bauern die Verteilzentren von Migros und Coop in der Romandie mit Autos und Traktoren. Sie protestierten damit gegen die gesunkenen Fleischpreise. Das werde er wohl nicht nochmals erleben, sagt Richard heute. Es brauche andere Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Das macht Uniterre jetzt mit ihrer Volksinitiative zur Ernährungssouveränität.
Bauern unter grossem Druck
Die Bauern stünden heute unter grossem Druck und gingen nicht mehr auf die Strasse, sagt Renfer. Viele Milchabnehmer hätten den Bauern damit gedroht, ihnen die Milch nicht mehr abzukaufen, sollten sie auf der Strasse protestieren. «Viele Bauern wagen es deshalb nicht mehr, ihre Stimme zu erheben», sagt Renfer.
Die Uniterre-Aktivistin ist überzeugt: Auch wenn die Initiative für Ernährungssouveränität nicht angenommen werden sollte, werde Uniterre diese Bewegung fortführen.
Link zum Thema
Konsumenten mit ins Boot holen
Mit der Volksinitiative geht Uniterre sehr weit. Auf nationaler Ebene wird sie einzig von den Grünen und der SP unterstützt – eine schwierige Ausgangslage für eine Revolution in der Landwirtschaftspolitik, in der viele Akteure mitmischen.
Davon lässt sich Renfer nicht beeindrucken. Uniterre gehe es darum, eine Bürgerbewegung aufzubauen, sagt sie. Sie wünscht sich, das nicht nur die Bauern demonstrieren, sondern auch die Konsumenten mitmachen. Renfer ist überzeugt: «In der Zukunft werden wir die Protestaktionen zusammen mit den Konsumenten durchführen.»