Die Stadtzürcher Polizei darf in Medienmitteilungen die Nationalität von Verdächtigen wieder nennen. Das Zürcher Stimmvolk hat am Sonntag mit 55.2 Prozent einen Gegenvorschlag des Kantonsrats gutgeheissen. Der SVP ging die Vorlage allerdings zu wenig weit. Die Gegnerschaft sprach hingegen von Diskriminierung. Zu Recht, findet die Soziologin Gülcan Akkaya von der Hochschule Luzern.
SRF News: Warum ist es kritisch, wenn die Nationalität von Verdächtigen offengelegt wird?
Gülcan Akkaya: Die systematische Nennung der Nationalität in den Medienmitteilungen der Polizei scheint aus wissenschaftlicher Perspektive und für das Zusammenleben nicht sinnvoll. Denn es kann Vorurteile und latenten Rassismus gegenüber gewissen Gruppen schüren und vertiefen.
Was sagt die Wissenschaft diesbezüglich genau?
Aus der Kriminalforschung ist bekannt, dass die Nationalitäten-Nennung kein entscheidender Faktor ist, um die Ursachen einer Straftat zu erklären. Schichtzugehörigkeit wie Bildung und Alter spielen eine weitaus grössere Rolle.
Die Nationalitäten-Nennung ist kein entscheidender Faktor, um die Ursachen einer Straftat zu erklären.
Studien aus Deutschland zeigen zudem, dass die Nennung der Nationalität nicht zum Abbau von Vorurteilen führt, sondern die kriminalistische Realität verzerrt und dem Rassismus Vorschub geleistet wird. Es führt auch zu einer Verzerrung, weil die Medien ausländisch klingende Namen häufiger zitieren.
Ist es nicht eine Frage der Transparenz, wenn Nationalitäten genannt werden?
Die Medienschaffenden erhalten bereits heute die Angaben auf Anfrage.
Die Medienschaffenden können sich bereits heute bei der Polizei informieren, und sie erhalten die Angaben. Zugleich gibt es eine jährliche Statistik, die sorgfältig aufgearbeitet wird und sowohl Herkunft und Straftaten im Detail vermerkt.
Was gehört für Sie in eine Polizeimeldung?
Es sollen alle für die Tat relevanten Informationen sein, soweit diese bereits bekannt sind. Das kann je nach Fall auch einmal die Nationalität sein. Aber es ist vielleicht auch einmal das Alter, die soziale Herkunft, die politische Ausrichtung oder sonst ein wichtiger Umstand.
Das Gespräch führte Christine Scheidegger.