- Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies künftig explizit festhalten müssen.
- Angehörige sollen aber eine Organspende ablehnen können.
- Bundesrat und Parlament sehen in der erweiterten Widerspruchslösung die Chance, die Spendequote zu erhöhen.
Gesundheitsminister Alain Berset eröffnete den Abstimmungskampf zur Vorlage, die am 15. Mai an die Urne kommt. Die Änderung des Transplantationsgesetzes sei «keine Revolution», sagte er vor den Medien in Bern. Jedoch erhöhe die erweiterte Widerspruchslösung die Chancen für kranke Personen, ein gesundes Organ zu erhalten.
Heute ist die Spendequote in der Schweiz tief. Gemäss Zahlen des Bundes erhielten im vergangenen Jahr rund 450 Personen ein Organ. Dreimal so viele Menschen warten Monate bis Jahre auf eine Transplantation.
Angehörige haben Mitbestimmungsrecht
Die Warteliste soll in Zukunft kürzer werden. Deshalb hat das Parlament im vergangenen Herbst einen Paradigmenwechsel beschlossen – weg von der heute geltenden erweiterten Zustimmungslösung. Diese besagt, dass für eine Organentnahme nur verstorbene Personen infrage kommen, die zu Lebzeiten einer Spende zugestimmt haben. Liegt keine Willensäusserung vor, müssen die Angehörigen entscheiden.
Künftig soll davon ausgegangen werden, dass die Person im Falle ihres Ablebens mit der Entnahme von Organen einverstanden ist. Wenn sich kein dokumentierter Wille findet, werden wie bisher die Angehörigen befragt. Sie könnten einer Entnahme von Organen widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht. Wenn es weder einen geäusserten Willen gibt noch Angehörige, die sich dazu äussern können, ist eine Entnahme der Organe nicht möglich.
Organe spenden können weiterhin nur Personen, die im Spital einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Verstirbt jemand ausserhalb des Spitals, ist eine Organspende nicht möglich.
Wenige kritische Stimmen im Parlament
Der Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung sei ein europäischer Trend, sagte Berset. Die Änderung sei eine konkrete Antwort auf den Organmangel respektive auf die Tatsache, dass zu wenig Menschen sich zu Lebzeiten dazu äusserten. Gemäss Umfragen wären nämlich viele Menschen bereit, ein Organ zu spenden, äussern diesen Willen aber nie.
Die kritischen Stimmen zum Paradigmenwechsel waren im Parlament zu hören, jedoch klar in der Minderheit. Ein überparteiliches Komitee ergriff in der Folge das Referendum. Die Änderung komme einer Pflicht zur Organspende sehr nahe, argumentieren die Gegner. Es sei ein Eingriff in die liberalen Werte des Staats, wenn die Rechte zunächst eingefordert werden müssten. Auch der Druck auf die Angehörigen werde massiv erhöht.
Das neue Vorgehen sichere die Einbeziehung der Angehörigen und entlaste sie in einer schwierigen Situation, kontert Berset. Die erweiterte Widerspruchslösung lasse die Freiheit, sich bewusst dafür zu entscheiden, aber sich auch nicht damit befassen zu müssen. «Niemand darf gegen seinen Willen zum Organspender werden.»