Es handelt sich um eine veritable Knacknuss: die Reform der beruflichen Vorsorge, kurz BVG. Der letzte Versuch scheiterte 2017 an der Urne. Danach beauftragte der Bundesrat die Sozialpartner, also Arbeitgeber und Gewerkschaften, mit der Ausarbeitung eines Reformvorschlags.
Dieser sieht unter anderem eine Senkung des Umwandlungssatzes vor, wodurch die Renten in der obligatorischen beruflichen Vorsorge kleiner werden würden. Um das auszugleichen, sind lebenslange Rentenzuschläge für alle Versicherten vorgesehen. Von Letzteren wollen National- und Ständerat aber nichts wissen, wie diese Woche definitiv klar geworden ist.
«Das Parlament hat ein Theater veranstaltet», kritisierte SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen in der «Arena». Mit dem Sozialpartnerkompromiss und den darin vorgesehenen Rentenzuschlägen für alle hätte man namentlich die Situation der Frauen in der zweiten Säule verbessern können.
Bei den Rentenzuschlägen herrscht Uneinigkeit
«Jetzt hat man alles über Bord geworfen für ein inakzeptables Resultat. Mehr bezahlen, um weniger Rente zu erhalten – das ist ein schlechter Deal», so Wasserfallen weiter. Deshalb werde man das Referendum ergreifen.
Gesetzgeber ist das Parlament, nicht die Gewerkschaft oder der Arbeitgeberverband
«Gesetzgeber ist das Parlament – nicht die Gewerkschaft oder der Arbeitgeberverband», erwiderte SVP-Ständerat Alex Kuprecht. «Mit dem Sozialpartnerkompromiss hätte jeder einen Rentenzuschlag bekommen, auch wenn er das gar nicht braucht.» Effektiv seien nur sehr wenige Versicherte von der Umwandlungssatzsenkung betroffen, pflichtete ihm Regine Sauter bei.
Die FDP-Nationalrätin sagte weiter: «Diese Gruppe muss man kompensieren und das machen wir.» Das Parlament will nur einer Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen Rentenzuschläge gewähren – und davon nur den Versicherten mit einer verhältnismässig tiefen Rente.
Rentner kritisiert Politikerinnen und Politiker
Dass sich die Politik zu wenig um Menschen mit tiefen Renten kümmere, darüber sorgt sich Rentner Marcel Bislin aus Chur. «Es wird nur geredet, aber gehandelt wird zu wenig», sagte er an die Adresse der anwesenden Politikerinnen und Politiker. «Vergesst die kleinen Leute nicht!»
Zwar reiche die gemeinsame Rente von seiner Frau und ihm gut zum Leben. Aber: «Was passiert, wenn einer von uns einen Unfall hat? Dann geht alles Ersparte bachab.» Vielen Leuten gehe es ausserdem finanziell schlechter als ihnen. Wird über die Rentenhöhe diskutiert, kann die Rechnung jedoch nicht ohne die AHV gemacht werde.
Mitte-Ständerat Pirmin Bischof kritisierte diesbezüglich, dass sich das Parlament diese Woche gegen den vollen Teuerungsausgleich von 2.8 Prozent bei den AHV-Renten ausgesprochen hatte: «Wer auf die AHV angewiesen ist, braucht jeden Franken. Die AHV-Renten der Teuerung anzupassen, ist eine schlichte Selbstverständlichkeit.»
Kein voller Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten
Auch einzelne Mitte-Parlamentarier hatten den vollen Teuerungsausgleich abgelehnt. Bischof dazu: «Unsere Fraktion hat mehrheitlich dafür gestimmt, aber Ständeräte nehmen in der Regel halt keine Parteiweisungen entgegen.»
Leute mit schwachem Einkommen spüren die Teuerung im Portemonnaie
SP-Nationalrätin Wasserfallen unterstütze Bischof in seinem Anliegen: «Leute mit schwachem Einkommen spüren die Teuerung im Portemonnaie. Ausserdem schreibt uns die Verfassung vor, die Teuerung auf den AHV-Renten auszugleichen.»
Vonseiten der FDP und SVP hingegen kam eine Absage. FDP-Nationalrätin Sauter: «Den gesetzlich vorgeschriebenen Teuerungsausgleich von 2.5 Prozent haben wir gemacht. Es gibt keinen Grund, noch mehr darauf zu laden.»
Altersvorsorge beschäftigt die Politik auch in Zukunft
Die Diskussion über die Altersvorsorge geht auch in Zukunft weiter. Sollten Gewerkschaften und SP mit ihrer Referendumsankündigung Ernst machen, entscheidet die Stimmbevölkerung bald einmal über die BVG-Reform.
Ausserdem haben der Gewerkschaftsbund SGB sowie die Jungfreisinnigen jeweils eine eigene Initiative für die Reform der Altersvorsorge eingereicht.