SRF: Haben Sie Verständnis für das deutliche Tessiner Ja zum Verhüllungsverbot?
Simonetta Sommaruga: Weil es vermutlich unterschiedliche Gründe gab, dieser Initiative zuzustimmen, kann man auch nicht für eine Meinung Verständnis haben. Es können Sicherheitsüberlegungen gewesen sein, zum Beispiel bei Demonstrationen. Es können religiöse Gründe gewesen sein. Es kann auch sein, dass man aus Gleichstellungsüberlegungen Ja gestimmt hat.
Für den Bundesrat geht es jetzt darum abzuwägen, in wie fern mit dieser neuen Tessiner Verfassungsbestimmung die individuellen Rechte, die Freiheitsrechte des Einzelnen zu stark oder verfassungskonform eingeschränkt werden.
Der Bunderat hat sich bereits mehrfach gegen ein Verhüllungsverbot ausgesprochen. Kann man daraus schliessen, dass Sie eher zum Schluss kommen, die Freiheitsrechte seien zu sehr beeinträchtigt?
Ich kann den Entscheid des Bundesrates nicht vorwegnehmen. Dort, wo es darum geht aus Sicherheitsüberlegungen solche Verhüllungsverbote auszusprechen, hat der Bundesrat gesagt: Das sind kantonale Angelegenheiten. Das müssen die Kantone entscheiden, inwiefern hier ihre Sicherheit beeinträchtigt wird.
Jetzt sind es eben vermutlich verschiedene Überlegungen, die zu diesem Entscheid geführt haben. Deshalb wird der Bundesrat sehr sorgfältig die verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit den individuellen Freiheitsrechten anschauen.
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Jetzt kommt die nationale Initiative von einem Komitee für Verhüllungsverbot. Parallel dazu gibt es eine Debatte über das Kopftuch und ein Kopftuchverbot in Schulen. Wie schauen Sie als Justizministerin diesen hochemotionalen Debatten entgegen?
Es sind wichtige politische Diskussionen. Wir sollen sie führen, wenn es die Bevölkerung beschäftigt. Dann müssen und dürfen wir auch alle Fragen diskutieren. Es sind Fragen der Sicherheit, der Religionsfreiheit und der Gleichstellung von Frauen. Deshalb glaube ich, ist es wichtig, dass wir das sehr differenziert diskutieren.
Das Gespräch führte Dominik Meier.