Es ist ein seltenes Ereignis: Die Mehrheit der Zürcher SVP-Delegierten stellt sich gegen ihren Übervater Christoph Blocher. Blocher selber war zwar am Dienstagabend nicht an der entscheidenden Versammlung in Gossau. Doch der Nationalrat und Partei-Vizepräsident bekämpft die Abzocker-Initiative schon seit Wochen und Monaten.
«Normalerweise bekommt Blocher seinen Willen»
Die Ja-Parole der SVP Zürich sei bemerkenswert, findet der Politologe Georg Lutz. «Christoph Blocher bekommt normalerweise seinen Willen in der Partei», sagt er. Das Abstimmungsresultat in Zürich sei zwar knapp gewesen, zeige aber, wie gespalten die SVP in der Abzocker-Frage sei.
Der Wunsch, endlich etwas gegen Manager mit exorbitanten Boni zu unternehmen, war bei vielen SVP-Delegierten deutlich zu spüren gewesen. Sie hoffen, dass nach einem Erfolg der Initiative die Aktionäre Abzocker-Manager an die Kandare nehmen werden.
Ein Delegierter sagt es so: «Nur mit einem Ja bleiben wir glaubwürdig und vertreten weiterhin die Werte, die unser Land stark gemacht haben.» Wenn es eine Partei gebe, die das unverantwortliche Verhalten der «Classe politique» und der «Abzocker-Manager» ablehnen müsse, sei es die SVP.
Parteichef Brunner auch gegen Abzocker
Zur Parolenfassung der Zürcher SVP wollte Christoph Blocher gegenüber Radio SRF keine Stellung nehmen. Dafür versucht Toni Brunner, Präsident der SVP Schweiz, die Wogen zu glätten. Es sei verständlich, dass es an der SVP-Basis viele Sympathien für die Abzocker-Initiative gebe. Das Thema spreche vor allem das Bauchgefühl an, so Brunner. Zudem sei die SVP bei den ersten gewesen, die sich gegen überrissene Boni geäussert hätten: «Wir haben ja den Weg geebnet, dass es zu politischem Protest gekommen ist.»
Eigentlich sei man sich in der SVP ja einig, dass man etwas gegen Abzocker tun müsse, so Brunner weiter. Es sei aber fraglich, ob diese Initiative der richtige Weg sei.
Allerdings – räumt Toni Brunner ein – könnte es durchaus passieren, dass Ende Monat auch die nationalen SVP-Delegierten die Ja-Parole fassen werden. Das Rennen sei völlig offen. Nach dem Entscheid der Zürcher SVP sei jetzt für Spannung gesorgt.
SVP-Führung im Dilemma
Die führenden Köpfe der SVP sind grossmehrheitlich gegen die Abzocker-Initiative. Damit stecken sie in einem Zwiespalt: Einerseits will die SVP eine betont wirtschaftsfreundliche Partei sein, andererseits aber auch die Wut der kleinen Leute und der «Büezer» repräsentieren.
Bei der Abzocker-Initiative sei dieser Spagat aber nicht möglich, sagt dazu der Politologe Georg Lutz. «Man musste sich entscheiden: Will man gegen die Wirtschaft antreten oder gegen Teile der Parteibasis», umschreibt er das Dilemma der SVP-Führungsriege.
Für Spannungen sorgt die Abzocker-Initiative von Thomas Minder im übrigen nicht nur in der SVP, sondern auch bei der Linken: Dort sind die meisten SP-Politiker für die Initiative, die Gewerkschaften sind aber skeptisch bis ablehnend.
Auch bei der CVP ist die Parolenfassung noch offen. Der Abzocker-Initiative ist es offensichtlich gelungen, das Links-Rechts-Schema zu durchbrechen.