Das Parlament hat die Entscheide über die künftige Landwirtschaft vertagt. Zum Ärger der Grünen, denn die sind überzeugt: damit können die Klimaziele des Bundesrats nicht erreicht werden. Der grüne Berner Nationalrat Kilian Baumann sieht den Bauernverband in der Verantwortung. Dieser habe kein Interesse an einer ökologischeren Landwirtschaft.
SRF News: Kilian Baumann, Sie sind Nationalrat und Biobauer. Verdienen Sie genug als Biobauer?
Kilian Baumann: Ich habe 18 Jahre von der Landwirtschaft gelebt, seit einiger Zeit bin ich auch in der Politik tätig und verdiene mir ein Zusatzeinkommen. Aber ich habe einen Kleinbetrieb, und wir waren immer darauf angewiesen, dass auch meine Partnerin berufstätig war.
Ich habe 18 Jahre von der Landwirtschaft gelebt.
Ich frage, weil gemäss Bauernverband die Einkommen mit der Agrarreform, die Sie befürworten, sinken würden.
Wir haben die Gelder ja gesprochen, nur leider keine Massnahmen dazu. Wir schütten ziemlich viele Direktzahlungen aus in der Schweiz, 14 Milliarden in den nächsten vier Jahren, das ist etwa fünf- bis zehnmal so viel wie in den umliegenden Ländern. Die Reform hätte die Bauern auch etwas markttauglicher gemacht und damit hätten sie möglicherweise auch eine bessere Wertschöpfung erzielt. Dann wäre das Einkommen der Bauern möglicherweise auch gestiegen.
Es hiess, mit der Reform würde der Selbstversorgungsgrad sinken, also mehr Importe. Das kann nicht in Ihrem Sinn sein als Biobauer?
Nein, das ist nicht in meinem Sinn. Wenn wir ökologischer produzieren, dann importieren wir weniger Futtermittel, Düngemittel oder Treibstoffe. Wenn wir nur vom Selbstversorgungsgrad reden, dann ist das eine lächerliche Diskussion. Wir sollten von der Versorgungssicherheit sprechen. Es gibt auch durchaus Massnahmen, um den Selbstversorgungsgrad und die Versorgungssicherheit zu verbessern. Weniger Pestizide, denn die werden zu 100 Prozent importiert. Weniger Düngemittel, denn die werden beim Kunstdünger auch zu 100 Prozent importiert. Und weniger neue Maschinen, Traktoren, Diesel und so weiter. Man kann auch mehr erneuerbare Energie produzieren. Und der wichtigste Hebel, um den Selbstversorgungsgrad zu steigern, wäre, wenn die Bevölkerung weniger Fleisch essen würde.
Jetzt wird ein Bericht vom Bundesrat gefordert, der auch die ganze Frage der Ernährung behandeln soll. Das ist doch auch in Ihrem Sinn?
Das ist in unserem Sinn. Aber ich habe grosse Zweifel! Es wird jetzt eine Ernährungspolitik gefordert, aber sobald es um konkrete Massnahmen geht, wie zum Beispiel weniger Fleisch essen oder keine Finanzierung von Fleischwerbung durch den Bund, dann wird der Widerstand riesig sein.
Das sind nicht die Bauern, sondern in erster Linie Agrarkonzerne, die im Parlament ihre Interessen vertreten.
Wir werden in zwei Jahren einen Bericht erhalten, dann wird eine neue Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik entwickelt, das dauert dann wieder vier Jahre und dann werden dieselben Kreise im Parlament sagen: Nein, wir wollen keine Ernährungspolitik, wir müssen das nochmals anschauen. Das sind nicht die Bauern, sondern in erster Linie Agrarkonzerne, die im Parlament ihre Interessen vertreten. Das macht mich so wütend.
Sie haben heute Morgen im Radio dem Präsidenten des Bauernverbandes, Markus Ritter, Erpressung im Ständerat vorgeworfen. Das müssen Sie erklären.
Der Punkt ist der: Bei der Agrarpresse gibt es nur noch eine Bauernverbandszeitung und eine rechtskonservative Zeitung. Damit haben sie die Möglichkeit, in ländlichen Kantonen die Ständeräte so unter Druck zu setzen, dass sie nicht mehr den Mut haben, gegen Markus Ritter zu votieren.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.