Der Klimawandel verändert die Landwirtschaft, immer neue Technologien beeinflussen die Produktion und die Gesellschaft hat hohe Erwartungen an die Bäuerinnen und Bauern – sie möchte ernährt werden und gleichzeitig die Natur schonen. Diesem Mix an Herausforderungen muss die Schweizer Landwirtschaftspolitik dringend angepasst werden – darin sind sich alle einig.
Natürlich bin ich enttäuscht. Das ist ein Bundesratsprojekt das schon lange diskutiert wurde. Wir haben mehrere Vernehmlassungen durchgeführt und das Projekt mehrmals adaptiert.
Bundesrat Guy Parmelin, seit anderthalb Jahren Landwirtschaftsminister hat deshalb im Frühjahr eine neue Vorlage, die sogenannte Agrarpolitik 22 Plus vorgelegt. Der zuständigen Kommission des Ständerats enthält diese aber zu viele negative, sprich ökologische Punkte, wie es in einer Mitteilung heisst. Die Kommission hat deshalb entschieden, die Beratungen zu sistieren.
Parmelin ist von der Kommission enttäuscht
Guy Parmelin hat daran gar keine Freude: «Natürlich bin ich enttäuscht. Das ist ein Bundesratsprojekt das schon lange diskutiert wurde. Wir haben mehrere Vernehmlassungen durchgeführt und das Projekt mehrmals adaptiert. Die Reform ist für uns ein guter Kompromiss, eine Grundbasis für die Entwicklung der schweizerischen Landwirtschaft.»
Gleichzeitig warnt er die bürgerliche Mehrheit der Kommission, welche die Vorlage auf Anraten des Bauernverbandes vorerst gebremst hat: «Man darf nicht vergessen, dass bald Volksinitiativen kommen, die sehr extrem sind, etwa die Trinkwasserinitiative und die Pestizidinitiative. Weitere Initiativen sind schon in der Pipeline. Mit dem aktuellen Projekt hat unsere Landwirtschaft aber eine Perspektive.»
Vorlage als eine Art Gegenvorschlag
Die Agrarpolitik 22 Plus ist also auch eine Art Gegenvorschlag zu den verschiedenen Volksinitiativen, welche die Landwirtschaft ökologischer ausrichten wollen. Wird die Vorlage verzögert, so erhöhen sich die Chancen der Volksbegehren, ist der SVP-Bundesrat überzeugt. Die Gegner der Agrarpolitik 22 Plus ihrerseits setzen darauf, dass die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative – die beide spätestens im Juni des kommenden Jahres zur Abstimmung kommen müssen – scheitern und hoffen, dass dann der Druck, die Landwirtschaftspolitik ökologischer zu gestalten, nachlassen wird.
Ein Hauptstreitpunkt ist die Ernährungssicherheit. Während der Bauernverband diese gefährdet sieht, weil künftig mehr Flächen geschützt und der Boden weniger intensiv beackert werden dürfte, betont das Bundesamt für Landwirtschaft, nur eine schonendere Landwirtschaft könne die Ernährungssicherheit gewährleisten. Sprich: bleibt die Landwirtschaft so intensiv wie heute, laugt sie die Böden dermassen aus, dass sie künftig weniger hergeben.
Vorerst hat sich nur die zuständige Kommission des Ständerats geäussert. Das Plenum entscheidet in der Wintersession. Dann will Landwirtschaftsminister Guy Parmelin nochmals für die Vorlage weibeln: «Vielleicht kann man das während der parlamentarischen Diskussion noch verbessern. Aber jetzt einfach nichts zu tun, das ist schlimm für unser Land und für die Landwirtschaft.»
Mit ihrem Entscheid, vorerst nicht über die Agrarpolitik 22 Plus zu sprechen, hat die Wirtschaftskommission des Ständerats dafür gesorgt, dass vorerst umso mehr darüber gesprochen wird. Die Wintersession des Parlaments dürfte spannend werden.