Der Abstimmungssonntag hatte es in sich. Es war das letzte Mal, dass sich das Volk in dieser Legislatur äussern konnte, weitere Termine sind 2019 nicht geplant. Vier Lehren aus dem doppelten «Ja»:
1. Kuhhändel nicht zur Regel werden lassen
Weil die beiden Teile der Steuer-AHV-Vorlage so komplex waren, stritten die Parlamentarier vor allem über deren Verknüpfung. Die Verbindung von Steuern mit Altersvorsorge war ein «Grenzfall», wie selbst der Chefjurist des Bundes zugeben musste. Das Prinzip der Einheit der Materie wurde schmerzhaft gedehnt.
Aber Parlament und auch das Volk haben diesen «Deal» gutgeheissen. Nur durch die Verknüpfung kamen zwei gescheiterte Reformen beim zweiten Anlauf zustande. Daniel Eckmann, der ehemalige Medienberater von Kaspar Villiger, geisselte die «STAF» als ein «behördlich verordnetes Dilemma», weil die Grösse zu konsequenten Reformen fehle. Dies sei keine «hohe Kompromisskunst», sondern «kalkulierte Kapitulation». Ein hartes Urteil.
Dieser «Deal» kam aber wohl nur zustande, weil die Kompromissbereitschaft zwischen Links und Rechts in dieser Legislatur fehlte und damit Resultate ausblieben. Laut Umfragen könnte die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat im Herbst fallen. Ein etwas «linkeres» Parlament müsste also wieder mehr den Kompromiss suchen. Dies würde weniger «Kuhhändel» bedeuten. Vielen Leuten war unwohl dabei, wie im Abstimmungskampf oft zu hören war.
2. Doch keine verlorene Legislatur
Trotzdem: Der Kuhhandel hat die zu Ende gehende Legislatur gerettet. Parlament und Bundesrat können ihr Gesicht wahren. Zwei Grossbaustellen konnten doch noch geschlossen werden, auch wenn der Zustupf für die AHV nur ein Pflaster für eine immer grössere Wunde ist.
Alain Berset geben die zwei AHV-Milliarden ein wenig Zeit, um doch noch eine Altersreform hinzukriegen. Die Schmach seiner Niederlage bei der Altersvorsorge 2020 hallt bis heute nach. Für Ueli Maurer endet heute eine brenzlige Situation mit dem Ausland. Es drohen vorerst keine grauen oder schwarzen Listen der OECD. Der mehr als zehn Jahre andauernde, internationale Druck ist fürs Erste abgewehrt. Doch es ziehen schon neue Wolken auf. Der schweizerische Steuerwettbewerb sorgt für Argwohn.
3. Druck von aussen wirkt
Das Ja zur Steuer-AHV-Vorlage «STAF» (und auch das Ja zur Waffenrichtlinie) hat einmal mehr gezeigt: Die Schweiz reagiert auf Druck, auch wenn es lange dauern kann. Die EU verlangte die Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien schon vor 13 Jahren. Heute sind sie gefallen. Das kann eigentlich nur heissen, dass die Schweiz bald anderswo wieder unter Druck geraten wird. Wollen wir das? Wäre eine etwas proaktivere, reformwilligere Haltung nicht klüger?
4. Das Doppel-Ja sind zwei Voten für Europa
Die zwei «Ja» heute waren auch zwei Voten für Europa. Erneut haben die Schweizer in einer Sachabstimmung den bilateralen Weg (Waffenrichtlinie) unterstützt und sich für eine geordnete Nachbarschaft mit der EU (in Steuersachen) ausgesprochen. Im Ringen mit Brüssel um ein Rahmenabkommen sollte der Bundesrat diese nicht selbstverständlichen Resultate einbringen. Um ein wenig «Goodwill» herauszuholen, fordert etwa Gerhard Pfister.
Fazit: Mehr Wille zum Kompromiss, nicht zu «Deals», ist in der nächsten Legislatur gefragt, etwa beim Ringen um das EU-Rahmenabkommen. Die Schweiz sollte gegenüber Brüssel selbstbewusster auftreten und gegen innen tragfähige Kompromisse schmieden. Sonst dürfte sie einmal mehr unter internationalen Druck geraten, dem sie irgendwann nachgibt.