In wenigen Monaten wird sich die Schweiz mit der saisonalen Grippe auseinandersetzen müssen. Wegen Corona wird das dieses Jahr eine besondere Herausforderung. Deshalb rät das Bundesamt für Gesundheit (BAG), dass sich nicht nur ältere Menschen, chronisch Kranke und Schwangere gegen die Grippe impfen lassen, sondern auch Kinder und Säuglinge ab sechs Monaten.
Christoph Berger ist Leiter der Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital in Zürich und Präsident der eidgenössischen Kommission für Impffragen. Er unterstützt die Empfehlung des BAG: «Wir empfehlen dieses Jahr, dass sich auch die engen Kontakte der Grippe-Risikopersonen impfen lassen. Wenn darunter Kinder sind, sind auch sie gemeint.»
Die Massnahme ist nach Ansicht des BAG nicht neu. In ihren Empfehlungen, die seit mehreren Jahren in Kraft sind, rät das das Bundesamt zur Impfung von Kindern, die ein erhöhtes Übertragungs- und Komplikationsrisiko haben. Neu sei an der aktuellen Kampagne, dass sie dieses Jahr den Fokus auf alle legt, die mit Risikopersonen Kontakt haben, wie zum Beispiel mit Personen über 65 Jahren.
Der Impfempfehlung des BAG schliesst sich auch die Genfer Kinderärztin Dounia Cruzado an: «Wenn es Kinder sind, die ihre Grosseltern sehen, wäre es gut, sie gegen die Grippe zu impfen. Doch viele Eltern denken, es handele sich um eine Krankheit, die nicht schwerwiegend ist.»
Arztpraxen und Spitälern droht Überlastung
Ziel der Ärzte ist es, die Ausbreitung der Grippe, die die gleichen Symptome wie Corona aufweist, einzudämmen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. «Wenn beide Viren im Winter gleichzeitig zirkulieren, Influenza und Coronavirus, wird das Gesundheitssystem recht schnell überlastet und die Zahl der Konsultationen, Notfälle oder Krankenhausaufenthalte steigen.»
Auch Christoph Berger vom Kinderspital Zürich sagt: «Die Grippeimpfung schützt in vielen Fällen vor der Grippe. Und im Setting der Corona-Pandemie möchten wir unser Gesundheitssystem aufrechterhalten.»
Im Unterschied zu Sars-Coronavirus-2 trifft die Grippeerkrankung auch die Kinder.
Berger macht zudem darauf aufmerksam, dass eine Grippeimpfung bei Risikopersonen nicht immer wie gewünscht anschlägt: «Dies kann aufgrund von Vorerkrankungen oder des fortgeschrittenen Alters sein. Deshalb ist es wichtig, ihre Kontakte zu impfen, damit diese Risikopersonen gar nicht erst angesteckt werden.»
Impfskeptiker argumentieren allerdings, dass Kinder eigene Abwehrkräfte gegen Viren entwickeln sollen, statt sich zu impfen. Für den Infektiologen ist das unverständlich: «Wenn Sie Kinder gegen die Grippe impfen, bilden sie Antikörper gegen die Antigene im Impfstoff – und das sind die gleichen wie diejenigen, die bei der Grippe zirkulieren.» Mit dem Unterschied, so Berger, dass die Impfung nicht krank mache – die Grippe aber schon.
Zudem entspreche es nicht der Wahrheit, dass Kinder nicht schwer an Grippe erkranken würden. «Jedes Jahr gibt es hunderte Hospitalisationen von grippekranken Kindern in der Schweiz. Im Unterschied zu Sars-Coronavirus-2 trifft die Grippeerkrankung auch die Kinder.» So würden auch Kinder direkt von einer Impfung profitieren, schliesst Berger – und nicht nur Risikopersonen, die in Kontakt mit ihnen stehen.