Der grosse Lehrkräftemangel in der Schweiz hat ein weiteres Mal die jährliche Medienorientierung des Lehrerinnen- und Lehrerdachverbands LCH dominiert. Die Kantone hätten die Krise zu lange ignoriert und seien einmal mehr auf pädagogisch unausgebildetes Personal oder pensionierte Fachkräfte angewiesen, kritisierte LCH-Zentralpräsidentin Dagmar Rösler am Donnerstag in Bern.
LCH mit Aktionsplan für die Politik
Rösler hielt den kantonalen Bildungsdirektionen vor, dass sie spätestens seit dem Bildungsbericht 2018 von den aufkommenden Problemen wüssten und die aktuelle Lage durchaus hätten verhindern können.
Mit dem Aktionsplan können die Kantone mit Volksinitiativen, Politkampagnen und anderen politischen Mitteln erfolgreich sein.
Rösler kündigte für den Spätherbst einen Aktionsplan «Bildungsqualität» an, der den Bildungsdirektionen auf die Sprünge helfen soll: So könnten die Kantone vor Ort mit Volksinitiativen, Politkampagnen und anderen politischen Mitteln erfolgreich sein. Der Aktionsplan berücksichtige gleichzeitig, dass nicht alle Kantone vom Lehrkräftemangel gleich stark betroffen seien.
Geschickte Laien als Option?
Für neue und unkonventionelle Wege plädiert Thomas Minder, Präsident des Verbands der Schulleitungen. Sein Vorschlag, um offene Stellen in vielen Regionen der Schweiz doch noch besetzen zu können: Erfahrene Lehrpersonen konzipieren den Unterricht, vor den Schulklassen stehen dann aber auch Personen, die nicht oder noch nicht fertig ausgebildet sind.
Minder hat dabei Menschen im Auge, die geschickt mit Kindern umgehen können. Diese Kräfte hätten dann vielleicht keine genügende Ausbildung in der pädagogischen Aufbereitung von Unterrichtsinhalten, könnten aber von den Parallelklassen profitieren. Minder räumt ein, dass dies mit einer Mehrbelastung des regulären Schulteams verbunden sei.
Es darf nicht die Vorstellung aufkommen, dass hier Unterricht nach Rezept angeboten wird.
Es dürfe aber auf keinen Fall die Vorstellung aufkommen, es werde hier «Unterricht nach Rezept» durchgeführt, sagt Karin Zopfi Bernasconi, stellvertretende Abteilungsleiterin Primarstufe an der PH Zürich. Denn Unterricht funktioniere adaptiv und mache vor allem Sinn, wenn die planende Person auch unterrichte. Deshalb müssten erfahrene Lehrpersonen und jene ohne Diplom die Einheiten zumindest gemeinsam planen.
Klassenhilfen – schon vielerorts Realität
Dass der Lehrpersonalmangel auf allen Ebenen zu neuen Ansätzen zwingt, zeigt auch der Kanton Bern. Dort waren per 9. August und damit kurz vor dem Start ins neue Schuljahr noch 30 Stellen offen. Deshalb will man nun Lehrerinnen und Lehrer etwas entlasten, wie die Grünen-Bildungsdirektorin Christine Häsler darlegt.
Klassenlehrpersonen sollen beispielsweise mehr Zeit und eine Funktionszulage erhalten. Häsler betont, dass bereits jetzt gewisse Aufgaben delegiert würden: «Vor drei Jahren haben wir entschieden, dass Klassenhilfen eingesetzt werden können. Vor einem Jahr wurde diese Möglichkeit auf alle Stufen ausgeweitet.»