Florian Amann erinnert sich genau an den 23. August 2017, als der Bergsturz am Piz Cengalo passierte. Er arbeitete damals als Ingenieurgeologe an der ETH Zürich und vermass die instabile Bergflanke am Piz Cengalo ein- bis zweimal pro Jahr mit einem mobilen Radargerät.
Der Bergsturz ging genauso weit, wie wir das berechnet hatten.
Basierend auf diesen Messungen berechneten er und sein Team bereits 2014 verschiedene Szenarien dazu, wie gross ein Bergsturz sein könnte und wie weit er ins Tal hinunterstürzen würde – mit überraschend grosser Genauigkeit. «Der Bergsturz ging eigentlich genauso weit, wie wir das zuvor berechnet hatten», so Amann.
Die Prognosen konnten er und sein Team unter anderem darum so genau erstellen, weil der Piz Cengalo seit Jahren schon als instabil bekannt ist und bereits im Dezember 2011 an der steilen Nordostflanke ein grosser Bergsturz abging. Danach begann man, den Berg in regelmässigen Abständen zu vermessen.
Satellitenmessungen helfen mit
Doch: Wie lassen sich Berge, Hänge und Gletscher ausfindig machen, die neu instabil werden? Hilfe kommt unter anderem aus dem Weltall. Andrea Manconi, Umweltingenieur am Lawinenforschungsinstitut in Davos (SLF), arbeitet vertieft mit Satellitenmessdaten. Vor allem Radarmessungen, die auch bei bewölktem Wetter oder nachts gemacht werden können, seien sehr interessant, sagt er.
Quasi am Computer liessen sich so weit abgelegene Gebiete überwachen. Messinstrumente an Bord von Satelliten senden dabei Radarwellen Richtung Erdoberfläche. Dort werden die Wellen reflektiert und leicht verändert zurück zum Satelliten geschickt. Aus diesen Wellen können Forscher herausrechnen, ob das Gelände an einem bestimmten Punkt in Bewegung ist.
Geeignet als Vorwarnsystem
Die Methode funktioniert gut für langsame Rutschungen. Schnellere Bewegungen können so zwar nicht korrekt gemessen werden, aber immerhin erhält man Hinweise auf instabile Gebiete.
Auf diese Weise wurden Forscher zum Beispiel auf die Moosfluh aufmerksam, eine weitläufige Flanke direkt über dem sich zurückziehenden Aletschgletscher. Nachdem der Hang jahrzehntelang nur wenige Millimeter pro Jahr abgerutscht war, waren es 2016 plötzlich mehrere Meter. Daraufhin wurden Messgeräte vor Ort installiert und Wanderwege durch das Gebiet gesperrt.
Abtauender Permafrost oder schmelzende Gletscher stören das Gleichgewicht. Wie genau, wissen wir aber noch nicht.
Die Satellitenmessungen würden immer präziser, sagt Manconi. Er rechnet damit, dass sich instabile Berge und Gletscher damit in Zukunft noch besser überwachen lassen werden.
Nicht immer geht's mit Satellit
Am Piz Cengalo hätten Satellitenmessungen allerdings nicht geholfen. Die gefährlich bröcklige, senkrechte Nordostflanke ist schlicht zu steil und liegt für Radarwellen aus dem Weltall darum in einem toten Winkel.
Doch der Bergsturz von 2017 liefert wichtige Hinweise darauf, welche Rolle die Folgen des Klimawandels spielen können, wenn Berge instabil werden. Da sei im Detail einfach noch vieles nicht genau verstanden, sagt Amann.
«Man muss sich etwa bewusst sein, dass abtauender Permafrost oder schmelzende Gletscher das Gleichgewicht stören.» Man wisse da aber noch wenig, wie genau dieses Gleichgewicht gestört werde – und wann ungefährliche Situationen in gefährliche übergehen.
Am Piz Cengalo entstand vor fünf Jahren eine gefährliche Situation. Der Bergsturz vom 23. August 2017 kostete schliesslich acht Menschen das Leben.