Früher galoppierten die Pferde des Militärs durch die Reithalle im Zentrum der Aargauer Kantonshauptstadt. Ab Oktober ist sie das neue Zuhause der Aargauer Philharmonie, die seit vielen Jahren keinen festen Konzertort hat; kein KKL wie in Luzern, keine Tonhalle wie in Zürich, keine Stadtcasino-Säle wie in Basel oder Bern. Seit 2012 wurde die Halle kulturell zwischengenutzt. Nun erhielt sie für gut 20 Millionen Franken eine gründliche Auffrischung.
«Ende Oktober dürfen wir endlich unsere neue Heimat in Aarau musikalisch einweihen», freut sich Argovia Philharmonic, so der offizielle Name des Profi-Orchesters, über den Bezug der alten Reithalle Aarau. Diese Woche fand die erste Klangprobe in der Halle statt. Für Orchester, Dirigenten, Architekten und Akustiker ein spannender Moment, schliesslich ist die alte Reithalle kein idealer Konzertsaal.
«Rein aus architektonischen Gründen würde man den guten Klang nicht vermuten. Die Proportionen sind nicht so, wie man einen Konzertsaal aus dem Lehrbuch entwerfen würden», sagt Architekt Peter Hutter. Der Saal ist für Konzerte mit 70 Metern zu lang. Aber: «Die Oberflächen, das Holz, der Staub, das Sägemehl, der Kalk, die leere Luft – das ist eigentlich auf viele Kommastellen genau das, was viele berühmte Konzertsäle akustisch auch haben», schwärmt der Architekt.
Der Sägemehl-Boden wurde beim Umbau entfernt. Das Architekten-Team versuchte den Klang in der alten Reithalle Aarau zu bewahren oder gar verbessern. Kein einfaches Unterfangen: «Wir haben keine Referenzen. Wir können nicht in der Architekturgeschichte oder bei Kollegen nachfragen, wie man das macht. Das Gebäude ist viel zu speziell», sagt Architekt Hutter.
Ein wichtiges Element beim Umbau war das Dach, über welches ein weiteres Dach gebaut wurde, damit die Aussengeräusche der Stadt nicht durchdringen. Spezielle Schallschutz-Fensterläden decken die grossen Fenster ab.
Die lange Halle kann mit einer verstellbaren Spezialwand aus den USA unterteilt werden. 600 Plätze bietet der Konzertsaal.
Das Auge hört mit
Für einen guten Klang hat in Aarau auch Akustiker Martin Lachmann gesorgt. Der Charakter einer Konzerthalle sei wichtig für den Klang: «Das Auge hört mit. Entstanden ist ein Raum, der optisch gefällt, atmosphärisch ist und den Klang unterstützt», so Lachmann. «Die Reithalle hat Charme.»
Lachmann hat die Akustik in der Halle bei der Klangprobe vermessen und ist zufrieden. Nun müssten noch Orchester und Raum zusammenspielen. Der Raum sei wie ein Ferrari, und Musikerinnen und Musiker müssten den Ferrari noch einfahren, dann stehe dem Klangerlebnis nichts mehr im Wege.
Chefdirigent Rune Bergmann hat schon mit vielen Orchestern in Skandinavien und auf der ganzen Welt gearbeitet. Er ist aktuell auch Chefdirigent in Kanada und Polen. Für ihn ist die Halle in Aarau besonders. «Von der ersten Note an konnte ich klar hören, dass das die beste Halle ist, in der wir gespielt haben, sicherlich seit ich dabei bin. Diese Konzerthalle hat enormes Potenzial.»
Ich glaube, das wird einer der wichtigen Säle in der Schweiz
«Es klingt sehr klar», sagt eine Musikerin bei der Klangprobe. «Ich höre einen sehr klaren Sound. Es ist angenehm», sagt ihr Orchester-Kollege. «Es ist noch etwas ungewohnt. Man muss sich orientieren. Aber das Alte ist gut mit dem Neuen kombiniert. Ich glaube, das wird einer der wichtigen Säle in der Schweiz», sagt ein weiterer Musiker.
Nun gilt es nebst den leisen Tönen, die gemäss den Verantwortlichen bereits perfekt klingen, auch die lauten Stellen noch genauer einzufangen. Stoffsegel an der Decke können hierzu verstellt werden. Bis zum Konzertstart im Oktober bleibt noch etwas Zeit dafür.