Ein ganzes Spital leer geräumt, in nur einer Woche, mit Hilfe der Armee. Das Baselbieter Bruderholzspital wurde zum sogenannten Referenzspital ernannt. Nur noch Corona-Patientinnen und -Patienten werden dort behandelt, alle anderen wurden verlegt.
«Eine Hauruck-Übung», so Michael Rolaz, er ist beim Kantonsspital Baselland zuständig für Strategien und Projekte. Bis zu 350 Corona-Patientinnen und -Patienten können aufgenommen werden. Die anderen Spitäler im Kanton können sich derweil auf übrige Eingriffe konzentrieren.
Dass der grosse Bettenturm aus den 1970er-Jahren zur Verfügung steht, ist nicht selbstverständlich. Denn seine Tage sind gezählt. Er soll einem modernen Neubau weichen mit deutlich weniger Spitalbetten. «Wir leugnen nicht, dass wir jetzt froh sind um diese Kapazitäten», so Michael Rolaz.
Spitäler unter Kostendruck
Ähnlich geht es dem Thurgau oder Zürich. Frauenfeld hat das alte Bettenhochhaus des Kantonsspitals wieder in Betrieb genommen und Zürich hat eine alte Intensivstation reaktiviert.
Die Schweiz hat eine hohe Spitaldichte. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer erreichen in weniger als 30 Minuten Fahrzeit ein Spital, viele sogar in weniger als fünf Minuten. Die vielen Spitäler sind teuer. Sie machen den grössten Kostenblock im Gesundheitswesen aus und schlagen mit 29 Milliarden Franken im Jahr zu Buche.
Die politische Stossrichtung der vergangenen Jahre war deshalb klar: Spitäler schliessen oder neu ausrichten. Das Ziel dabei ist stets, Betten abzubauen. In den letzten 20 Jahren ist jedes sechste Spitalbett verschwunden. Rächt sich diese Politik nun in Zeiten von Corona?
Ja, finden jene Stimmen, die schon früher davor gewarnt haben, das Gesundheitssystem zu sehr auf Effizienz zu trimmen, beispielsweise linke Gesundheits-Politikerinnen und -Politiker. Weitere Kahlschläge müsse man nun verhindern und Spitalschliessungen oder -neuausrichtungen überdenken. Denn nun sei man über jede Pflegekraft und jedes Intensivpflegebett froh.
Können wir es uns leisten, Medizin zu betreiben für einen Fall, der nur alle paar Jahrzehnte eintrifft?
«Es mag sein, dass die Kantone künftig mehr Betten als strategische Reserven im System behalten müssen», so Michael Rolaz. Mehr Masken zu lagern oder Medikamente wieder in der Schweiz zu produzieren, sei das eine. Das andere ist die Spitalinfrastruktur.
Neue Herausforderung für die Spitalplanung
Und hier ist Rolaz der Ansicht, dass die Pandemie keinen starken Einfluss auf die künftige Spitalplanung haben dürfe. Es wäre falsch, den Krisenmodus als Massstab zu nehmen, so Rolaz. «Wir müssen uns fragen, ob es sich ein Staat leisten kann, Medizin zu betreiben für einen Fall, der nur alle paar Jahrzehnte oder Jahrhundert eintrifft.»
Starre Strukturen auf Vorrat zu erhalten, bringe nichts. Denn man wisse nicht, welche Anforderungen eine nächste Pandemie überhaupt mit sich bringe. Flexibilität sei das A und O.
«Pflegebetten können auch in einer Messehalle oder in einem Armeezelt aufgestellt werden.» Spitalbauten seien nicht entscheidend, sondern das Personal. Und auch dieses könne man nicht auf Vorrat halten.
Der Bettenturm des Bruderholzspitals, der nun Corona-Patienten beherbergt, erlebt zwar ein Revival, abgerissen wird er aber trotzdem. Denn an den strukturellen Voraussetzungen der Spitäler ändert die Corona-Krise nichts. Nicht mehr alle Spitäler können alles anbieten, denn sie müssen Mindestfallzahlen erreichen.
Zudem hat sich die Verweildauer der Patientinnen und Patienten massiv verkürzt, weil immer mehr Eingriffe ambulant gemacht werden. Und mit der Spitalfinanzierung, die 2012 eingeführt wurde und Fallpauschalen mit sich brachte, hat sich der finanzielle Spielraum der Spitäler verkleinert. So manches Spital muss sich nach der Decke strecken, um nicht rote Zahlen zu schreiben.
Es ist ein Zielkonflikt, dass Spitäler einerseits Kosten einsparen sollen, wo immer möglich und andererseits für alle möglichen Szenarien parat sein sollen.
Nach der Krise wird die politische Aufarbeitung beginnen, bei dieser dürfte es aber primär um Fragen der Eigenversorgung und der Pflichtlager gehen und weniger um Fragen der Spitalinfrastruktur. Die Zahl der Spitäler wird in der Schweiz weiter sinken, auch weil es zu Fusionen kommt.
Was sich zumindest vorübergehen verändert hat, ist der Grundtenor. Statt die Spitäler primär als Kostenverursacher zu sehen, werden sie wegen der Corona-Krise stärker als Leistungserbringer betrachtet.