Das Wichtigste in Kürze
- Denkbar knapper Entscheid in der Einigungskonferenz: 12 Parlamentarier lehnten das Ergebnis der Vertreter der beiden Räte am späten Dienstagabend ab, 14 sprachen sich dafür aus.
- Der AHV-Zuschlag von 70 Franken für Neurentner und höhere Ehepaar-Renten soll nun doch kommen.
- Zur Finanzierung der AHV soll die Mehrwertsteuer um 0,6 Prozent angehoben werden.
- Stimmen Stände- und Nationalrat am Donnerstag zu, kommt die Reform der Altersvorsorge am 24. September an die Urne.
Bei der Reform der Altersvorsorge scheint doch ein Kompromiss möglich. Die Einigungskonferenz hat am Dienstagabend entschieden, die Mehrwertsteuer nur um 0,6 Prozent zu erhöhen (siehe Infografik). Beim AHV-Zuschlag hingegen ist sie hart geblieben.
Sie schlägt den beiden Räten einen AHV-Zuschlag von 70 Franken und höhere Ehepaar-Renten vor, wie CVP-Ständerat Konrad Graber, der die Einigungskonferenz präsidierte, vor den Bundeshausmedien erklärte. Damit sollen die Rentenausfälle ausgeglichen werden, die bei der Senkung des Umwandlungssatzes in der obligatorischen beruflichen Vorsorge entstehen.
Konzept des Ständerats übernommen
Damit übernahm die Einigungskonferenz in diesem Punkt das Konzept des Ständerats. CVP, SP und BDP, die diesem in der kleinen Kammer zum Durchbruch verholfen haben, stellen auch in der Einigungskonferenz die Mehrheit. Der Entscheid fiel laut Graber mit 14 zu 12 Stimmen.
Der Nationalrat hatte stets auf einem Ausgleich in der zweiten Säule beharrt. Die Versicherten sollten mehr einzahlen, um später gleich viel Rente zu bekommen. Dieses Konzept ist mit dem Entscheid der Einigungskonferenz vom Tisch.
Neues Sozialversicherungspaket bis 2030
Bei der ebenfalls noch umstrittenen Erhöhung der Mehrwertsteuer setzte sich das Modell des Nationalrats durch, mit 14 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen. In den nächsten Jahren sollen zur Finanzierung der AHV 0,6 Prozent zusätzlich erhoben werden. Das bringt Zusatzeinnahmen von 2,14 Milliarden Franken. Der Ständerat hatte sich für 1 Prozent eingesetzt, das wären 3,56 Milliarden Franken zusätzlich.
Laut Graber wird der AHV-Fonds im Jahr 2030 noch 97 Prozent einer Jahresausgabe enthalten. Es werde ohnehin nicht die letzte AHV-Reform sein, erklärte er. Spätestens per 2030 werde wieder ein neues Sozialversicherungspaket geschnürt werden müssen.
Offene Ausgangslage
Die Räte können diese Vorschläge nur annehmen oder ablehnen, aber nicht mehr ändern. Stimmt in einem Rat die Mehrheit dagegen, ist die Reform der Altersvorsorge vom Tisch. 12 Mitglieder der 26-köpfigen Einigungskonferenz wollen diesen Weg gehen.
Mit dem überraschenden Kompromiss ist die Ausgangslage jedoch offen. SVP und FDP, die in der grossen Kammer die Mehrheit stellen, hatten sich entschieden gegen eine Mehrwertsteuererhöhung von mehr als 0,6 Prozent ausgesprochen. Dieses Anliegen konnten sie in der Einigungskonferenz trotz zahlenmässiger Unterlegenheit durchsetzen.
Doch auch der AHV-Zuschlag von 70 Franken gilt ebenfalls als «rote Linie». Besser sei keine Reform als diese, war aus den beiden Fraktionen zu hören. Diese bringen im Nationalrat 101 Stimmen zusammen. Mit den Grünliberalen, die sich bisher ebenfalls heftig gegen den AHV-Zuschlag gewehrt haben, sind es sogar 108 Stimmen.
Abweichler entscheiden
Wie geschlossen die Fraktionen stimmen, steht auf einem anderen Blatt. Vertreter der GLP haben schon vor Wochen durchblicken lassen, die bittere Pille notfalls doch zu schlucken. Nur etwas sei teurer als der Zuschlag, nämlich gar keine Reform. Die beiden Lega-Vertreter in der SVP-Fraktion wollen dem AHV-Zuschlag ebenfalls zustimmen.
Das Zünglein an der Waage könnten bei dieser Ausgangslage die Bauern spielen - sie profitieren mehr von einer AHV-Erhöhung als von einem Ausbau der Pensionskassen. Mehrere SVP-Vertreter haben sich bereits für die 70 Franken ausgesprochen, und Bauernverbandspräsident Markus Ritter (CVP/SG) kämpft um weitere Stimmen. Auch Verbandsdirektor Jacques Bourgeois (FDP/FR) und der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri stimmen dem Zuschlag möglicherweise zu, wie sie dem «Blick» sagten.
Abweichler stehen allerdings unter grossem Druck, da die Vorlage zum strategischen Geschäft erklärt wurde. Das bedeutet, dass Unzufriedene nicht gegen ihre Fraktion stimmen dürfen, sie können sich nur der Stimme enthalten. Damit kämen die 101 Stimmen nicht zusammen, die für das Lösen der Ausgabenbremse notwendig sind.