Der Urner Alpinist Dani Arnold hält Geschwindigkeitsrekorde an fünf der sechs grossen Nordwände der Alpen. Nun hat er als Erster an einem Tag alle drei Grate des Salbit alleine und teils ungesichert geklettert. Im Interview erklärt er seine Beweggründe.
SRF News: Sie suchen extreme Herausforderungen. Was treibt Sie an?
Dani Arnold: Mich fasziniert das Mentale und die Frage, warum ich so stark sein kann. Etwas als Erster zu machen, was vorher noch niemand gemacht hat, treibt mich an. Als ich beispielsweise die Eigernordwand alleine geklettert bin und den Rekord geholt habe, ist Ueli Steck nach mir an der Eigernordwand wieder schneller gewesen. Das ist mir egal. Ich gehe nicht mehr zurück an diese Wand. Mich interessiert das nicht mehr. Mich reizt das Neue.
Beim Rekordversuch am Salbit waren Sie dreimal auf dem Gipfel. Wie ist das dort oben?
Es denken immer alle, ich hätte da oben so eine ultimative Vision. Meine Vision war: Ich muss wieder abseilen, die Schuhe wechseln, das Couloir runter und so weiter. Es ist sehr sachlich. Die Freude kommt erst später, weil immer, wenn du denkst, jetzt ist es nur noch einfach, sind schon zu viele Sachen passiert. Genau bei dieser Einstellung passieren die Fehler.
Sie machen all das ja nur für sich – wieso eigentlich?
Die Auseinandersetzung mit mir selber ist sehr spannend. In den Bergen triffst du jede Entscheidung für dich und stehst dafür ein. Du bekommst direkt Feedback, ob deine Entscheidung richtig oder falsch war. Du bist alleine dafür verantwortlich. Das fehlt mir manchmal in der Gesellschaft. Ich wünsche mir mehr Eigenverantwortung. Es ist ja heutzutage niemand mehr für irgendetwas schuld.
Sie haben eine dreijährige Tochter Hause und setzen sich beim Klettern einem grossen Risiko aus. Viele sagen, der spinnt doch.
Es ist sinnlos, das ist mir bewusst, und trotzdem ist es mir wichtig. Ich mache das aber mittlerweile seit 12 Jahren.
Es ist sinnlos, das ist mir bewusst, und trotzdem ist es mir wichtig.
Der zentrale Punkt ist, dass du nichts Leichtsinniges machst. Wenn ich sehe, wie viele heutzutage in den Bergen unterwegs sind und keine Ahnung haben – manchmal nicht mal wissen, wo sie sind – dann frage ich mich, ob das viel schlauer ist.
Trotzdem – welche Rolle spielt die Auseinandersetzung mit dem Tod?
Das ist kein Ausgang eines Projektes. Mir ist bewusst, es gibt immer ein Restrisiko. Aber wenn das normale Risiko hoch ist, zum Beispiel 50/50, dass es gut kommt oder selbst 80/20, dann ist das keine Quote, die akzeptabel ist. Ich nehme maximal 5 Prozent Risiko, dass etwas schiefgeht. Aber klar ist: Ein Fehler am dümmsten Ort und du bist tot.
In den letzten 15 Jahren habe ich sehr viele Menschen verloren, so viele, die nicht mehr zurückgekommen sind, und das gibt einem schon zu denken.
Waren sie vor dem Rekordversuch am Salbit nervös?
Ja. Ich konnte lange nicht einschlafen. Ich habe lange überlegt, was alles schiefgehen kann. In den letzten 15 Jahren habe ich sehr viele Menschen verloren, so viele, die nicht mehr zurückgekommen sind, und das gibt einem schon zu denken. Das darf ich nicht vergessen.
Sie suchen das Neue und sind ständig auf Jagd nach Rekorden – wohin führt das?
Das ist die grosse Frage. Wohin geht es und wie weit geht es noch? Das ist schwierig. Ich will etwas machen und zeigen, dass ich noch was kann. Meine sechs grossen Nordwände sind abgeschlossen. Ich lebe vom Klettern, es ist mir wichtig, ich finde es auch den schönsten Sport, den es gibt. Aber am Schluss ist es nur ein Sport. Ich muss sachlich bleiben und sagen, jetzt ist auch mal gut. Das Umfeld hilft mir extrem. Sie sagen: «Du bist gut so, wie du bist» und nicht, «du bist ein guter Bergsteiger.» Mein Umfeld holt mich zurück, das ist extrem wichtig.
Das Gespräch führte Deborah Schlatter.