Die Sirenen durchdringen die Nacht. Ein allzu bekanntes Geräusch in Genf in diesen Tagen. Die Einsatzkräfte der Sanität sind im Dauereinsatz.
Pro Tag gehen in der Notrufzentrale zurzeit bis zu 1000 Anrufe ein, die Zahl der ausrückenden Ambulanzen ist seit über einer Woche doppelt so hoch wie normalerweise. Neben den «normalen» Notrufen kommen viele Covid-Fälle hinzu. Der Kanton Genf ist der mit Abstand am stärksten vom Coronavirus betroffene Kanton der Schweiz.
Die Einsätze der Sanität werden durch die Schutzvorkehrungen erschwert. Normalerweise sitzt jeder Handgriff - und die Sanitäterinnen und Sanitäter sind im Nu einsatzbereit. Nun muss aber ein strenges Sicherheitsprotokoll befolgt werden, zum Schutz vor dem Coronavirus.
Ungewohnte Arbeitsabläufe
Wenn die Sanitäterin Emilie Straub und ihr Kollege, ein Notfallarzt, ausrücken, zählt jede Minute. Gerade wurden sie wegen eines Herz-Kreislauf-Stillstands gerufen. «Es kann sein, dass die Person wegen Covid einen Herz-Kreislauf-Stillstand hatte, vielleicht auch nicht», sagt Sanitäterin Straub. Aber wenn sie sich nicht sicher sein könnten, müssten sie zu ihrem Schutz die komplette Ausrüstung anziehen.
Wir befinden uns ausserhalb unserer Komfortzone.
Worauf sie sich einstellen müssen, können die Einsatzkräfte der Sanität nie wissen. «Wir befinden uns ausserhalb unserer Komfortzone, unsere Automatismen funktionieren nicht mehr, da Covid uns in die Quere kommt», sagt Staub. «Wir können uns viel weniger auf die eigentlichen Aufgaben wie Reanimation fokussieren, da wir nun viel mehr daran denken müssen, dass wir das Protokoll respektieren.»
Dieses Mal müssen sie feststellen, dass die Patientin bereits verstorben ist. «Wir werden keine Reanimation machen, weil der Tod schon vor einer Weile eingetreten ist.» In so einem Fall nimmt sich das Einsatzteam Zeit, um mit den Angehörigen zu sprechen und um zu verstehen, was passiert ist. Doch selbst die Kommunikation wird in Coronazeiten zur Ausnahmesituation. «Ich musste soeben einen Tod ankündigen, und man hat nur einen kleinen Teil meines Gesichts gesehen. Das ist eine Barriere, die es schwierig macht.»
Angespannte Situation
Häufig werden die Einsatzkräfte auch zu älteren Personen gerufen, die Covid-positiv sind. Viele dieser Patienten wohnen alleine oder haben einen zu tiefen Sauerstoffgehalt und müssen deswegen ins Spital eingeliefert werden. Die Intensivstation im Genfer Unispital ist am Kapazitätslimit.
Doch nicht nur die Sanitäterinnen und Sanitären sowie Spitäler, auch die Genfer Berufsfeuerwehr ist in diesen Tagen voll eingespannt. Sie rückt ebenfalls in Covid-Vollmontur aus. In schwierigen Situationen alles andere als eine beruhigende Erscheinung.
Sie kann Unverständnis oder gar Panik auslösen bei den Angehörigen. Manche wollen gar nicht, dass die Patienten so ins Spital gebracht werden. Die Rettungsleute müssen die Angehörigen dann erst beruhigen.
Support der Armee
Der Peak der Neuinfektionen in Genf scheint nun erreicht, die Notrufzentrale 144 kann aber noch nicht aufatmen. «Wir wissen, dass sich dies immer erst eine Woche später auf die Aktivität der Ambulanz auswirkt. Wir sind also noch nicht auf dem Gipfel der Welle», sagt Dr. Robert Larribau von der Notrufzentrale. Ob sie diese bewältigen könnten, wisse er nicht.
Eine gute Nachricht in dieser angespannten Situation: Bald wird in Genf die Armee mit drei Ambulanzfahrzeugen die Sanität bei ihren Dauereinsätzen unterstützen.