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Anerkennung des Islam Mehr Rechte für religiöse Minderheiten

Das Neuenburger Kantonsparlament vertagt seinen Entscheid über ein umstrittenes Gesetz. Es würde allen Religionsgemeinschaften dieselben Rechte und Pflichten zugestehen wie der reformierten und katholischen Kirchen.

Für Jamel Chérif wäre eine offizielle Anerkennung des Islam ein starkes Signal. Er vertritt die Vereinigung muslimischer Organisationen im Kanton Neuenburg. Viele Muslime seien beruflich integriert, fühlten sich aber gesellschaftlich nicht akzeptiert, sagt Chérif. «Wir verstehen das Misstrauen angesichts der aktuellen Ereignisse. Andererseits wird zu stark generalisiert.»

Viele Rechte, aber auch Pflichten

Mit dem neuen Gesetz im Kanton Neuenburg dürfte die islamische Religionsgemeinschaft Steuern bei ihren Mitgliedern erheben, Religionsunterricht an Schulen erteilen sowie in Spitälern und Gefängnissen seelsorgerisch tätig sein.

Andererseits müsste sie dem Staat Einblick in die Finanzen gewähren und sich an die verfassungsmässige Religionsfreiheit halten. Mitglieder sollen denn auch ohne weiteres aus der muslimischen Gemeinschaft austreten dürfen.

Die islamischen Institutionen könnten mit einem qualitativ hochstehenden Religionsunterricht auch der Radikalisierung von Jugendlichen entgegenwirken. Zudem wäre die Gemeinschaft weniger auf finanzielle Unterstützung durch das Ausland angewiesen.

Linke dafür, Bürgerliche lehnen ab

Die Linke steht hinter dem Gesetz. SP-Grossrat Thomas Facchinetti will den religiösen Gemeinschaften mehr finanzielle Mittel zugestehen, «vorausgesetzt, sie halten sich an die Rechtsordnung und garantieren den religiösen Frieden».

Islamische Organisationen

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Die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz wird auf 450'000 Personen geschätzt. 10 bis 15 Prozent davon sind Praktizierende Muslime, sagt die Föderation Islamischer Dachorganisationen der Schweiz (FIDS). In der Schweiz gibt es rund 280 Moscheen, die vor allem von Personen türkischer, albanischer und bosnischer Abstammung besucht werden. (sda)

Die SVP äussert sich dagegen. Der Zeitpunkt der Vorlage sei schlecht angesichts der Ereignisse mit islamistischem Hintergrund. «Wir verlangen, dass das Volk und nicht eine Gruppe von Politikern entscheidet, ob eine religiöse Gemeinschaft integriert ist oder nicht», kritisiert SVP-Grossrat Niels Rosselet.

Die Freisinnigen sind gespalten. Ein Grossteil der Partei anerkenne monotheistische religiöse Gemeinschaften, die sich an die Regeln der Demokratie hielten, erklärt Yves Strub von der FDP-Fraktion. «Deshalb wäre es logisch, das Gesetz anzunehmen. Aber es gibt intern auch Gegner. Diese finden, ein laizistischer Kanton, in dem Staat und Religion getrennt sind, sollte keine religiösen Gemeinschaften anerkennen.»

Würde der Grosse Rat des Kantons Neuenburg das Gesetz annehmen, wäre dies in seiner Konsequenz ein schweizweites Novum. Dementsprechend schwer getan hat sich das Parlament mit einem Entscheid. Am frühen Abend hat das Parlament zwar beschlossen, auf das Gesetz einzutreten. Es wird aber an die vorberatende Kommission zurückgewiesen – es seien noch zu viele Fragen offen.

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