Über die Hälfte aller befragten Jungpolitikerinnern und -politiker haben aufgrund ihres politischen Engagements bereits einmal Anfeindungen, Beleidigungen oder gar Gewalt erlebt. Jede vierte Person hatte Bedenken um ihre eigene Sicherheit. Dies ergab eine nicht repräsentative Umfrage. Ihre geschilderten Erlebnisse sind erschreckend.
Viele Vorfälle werden nicht publik gemacht
Hass erleben Menschen aller Parteien – und zwar in ganz unterschiedlichen Formen: Einige berichteten von verbalem Hass, wie beispielsweise durch anonyme Briefe oder Anrufe, wie Nina Cramer, Co-Präsidentin der Jungen Grünen Sektion Appenzellerland. Sie schrieb SRF Impact von Belästigungen via Telefon: «Eine Zeit lang haben mich fremde Männer angerufen oder mir geschrieben und anzügliche Sachen erzählt.»
Fremde Männer haben mich angerufen und anzügliche Sachen erzählt.
Die Vize-Präsidentin der Juso Schweiz, Mirjam Hostetmann, erhielt während ihrer Kandidatur für den Nationalrat vor vier Jahren Briefe mit Beleidigungen sowie anonyme Anrufe, in denen niemand sprach.
Sie vermutet, dass dieser Unmut ausgelöst wurde, da sie als einzige linke Politikerin in ihrem Heimatkanton Obwalden kandidierte. Gross an die Glocke hängen wollte Hostetmann diese Vorfälle aber nicht: «Ich möchte nicht, dass deswegen andere junge Menschen sich nicht trauen, in die Politik einzusteigen.»
Geohrfeigt und mit Messer bedroht
Andere Politikerinnen und Politiker erhielten Hassnachrichten via Social Media. «Unter einem einzigen politischen Instagram-Post erhielt ich 200 Hassnachrichten», schrieb Margot Chauderna von den Jungen Grünen. Auch zu Bedrohungen in der Öffentlichkeit kam es bei gewissen Jungpolitikerinnen und -politikern.
Tobias Voegeli von den Jungen Grünliberalen wurde im Ausgang mit einer Flasche beworfen. Andri Meyer von den Jusos wurde an einer Fasnachtsparty einst geohrfeigt. Alle gaben ihre politische Orientierung als Auslöser der Taten an.
Auch Travis Schmidhauser von den Jungen Freisinnigen. Er wurde schon mehrmals in der Öffentlichkeit beleidigt und bedroht. «Als ich Plakate für die ‹Ehe für alle› aufhing, wurde mir mit einem Messer in der Hand gesagt, dass ich doch genau so eine ‹Schwuchtel› sei.» Er habe daraufhin informiert, dass er die Polizei einschalten werde.
Als ich Plakate für die ‹Ehe für alle› aufhing, wurde mir mit Messer in der Hand gesagt, dass ich genau so eine ‹Schwuchtel› sei.
Anfeindungen über Parteigrenzen hinweg
Cedric Meyer kennt solche Momente. Er ist für die junge SVP im Aargau tätig sowie Vizepräsident der SVP im Bezirk Rheinfelden. Auch er wurde einst wüst aufgrund seiner Parteizugehörigkeit beschimpft und tätlich angegriffen, als er eine Bar betrat. «In dem Moment war ich total perplex und wusste nicht, wie ich darauf reagieren soll», erzählt Meyer. «Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich das verdaut hatte.»
Doch nicht nur das: Auch Memes wurden über ihn kreiert und auf Social Media verbreitet. Da er diese immer wieder bei den Social-Media-Unternehmen meldete, wurden einige davon entfernt.
Beide Politiker:innen, die SRF Impact für ein Interview traf – Mirjam Hostetmann noch Cedric Meyer – hätten aufgrund von Hass gegen ihre eigene Person bereits überlegt, mit ihrem politischen Engagement aufzuhören. Es sei beunruhigend zu sehen, dass – egal welcher Partei man angehöre – sehr viel Intoleranz, ja gar Hass, gegenüber Andersdenkenden vorhanden sei.