In der Schweiz betreuen und pflegen mehr als 500‘000 Menschen ihre Angehörigen, das schätzt die Organisation Pro Senectute. Viele von ihnen sind bezüglich Coronavirus selbst in der Risikogruppe.
Betreuung rund um die Uhr
So auch eine 67-jährige Frau aus dem Kanton Thurgau. Sie betreut ihre 93-jährige Mutter, die rund um die Uhr überwacht werden muss – dabei wird die Thurgauerin jeweils an den Vormittagen von der Spitex unterstützt. Die Nachmittage, Nächte und Wochenenden deckt die Pensionierte selber ab.
Als vor einigen Tagen eine der Spitex-Mitarbeiterinnen erkrankte und ausfiel, wird der Betroffenen klar, wie prekär ihre Situation werden könnte: Was, wenn sie selber krank wird? Wenn sie in Quarantäne oder sogar ins Spital muss?
In der Coronakrise noch mehr am Limit
Die gleichen Ängste haben mutmasslich zigtausend andere Betroffene. Dennoch ist die riesige Gruppe der pflegenden Angehörigen noch kaum auf dem Radar der Behörden. Die betroffene Thurgauerin sagt zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso»: «Ungefähr 70 Prozent aller, die betreut und gepflegt werden müssen, werden von ihren Angehörigen gepflegt. Wenn sich die Spitexdienste ausdünnen und Angehörige ausfallen: Wie soll das dann gehen?» Sie habe bei den Behörden vergeblich nach Hilfe und möglichen Lösungsangeboten gesucht.
Viele pflegende Angehörige laufen schon im normalen Alltag am Limit. Jetzt bräuchten sie erst recht Hilfe, sagt die Betroffene: «Durch die Coronasituation und die Isolation verschärft sich alles nochmals. Und es ist nicht klar, was die Behörden für Notfälle vorkehren.»
«Keine Stimme und keine Lobby»
Diese Sorge teilt Andreas Bircher, zuständig für die Entlastungsdienste des Schweizerischen Roten Kreuzes. «Mein persönlicher Eindruck ist, dass pflegende Angehörige keine Stimme und keine Lobby haben.» Es sei eine Gruppe, die sich nicht bemerkbar mache, wahrscheinlich aus dem simplen Grund, weil die Betroffenen so belastet seien und schlicht keine Ressourcen dafür hätten.
Notfallplan: Wo finden Betroffene Hilfe?
Behörden und Experten raten pflegenden Angehörigen dringend, schon vor dem Notfall einen Plan B zu erarbeiten. Es sei wichtig, schon vorab abzuklären, wer einspringen könne – von der eigenen Familie bis hin zum Pflegeheim. Wo Betroffene überall Hilfe finden: Siehe Infobox .