- Fehlende Plätze, fehlendes Fachpersonal: Im Kanton Bern spitzt sich die Lage im Asylwesen zu.
- Er könne nicht ausschliessen, dass er bald die Notlage ausrufen müsse, machte der bernische Sozialdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) vor den Medien deutlich.
- Um der Platznot entgegenzuwirken, werden Geflüchtete in Zivilschutzanlagen untergebracht.
Diesen Herbst sollen vier Notunterkünfte in Burgdorf, Bern, Tramelan und Niederscherli für Geflüchtete geöffnet werden. In den unterirdischen Anlagen sollen möglichst Einzelpersonen untergebracht werden, um in den oberirdischen Anlagen Platz für Familien zu schaffen.
«Das ist nicht das, was wir uns für die Leute wünschen», sagt Pierre Alain Schnegg. Die aktuellen Bilder aus Lampedusa mit den gestrandeten Flüchtlingen würden aber verdeutlichen, dass grosse Herausforderungen auf die Kantone zukommen werden. «Wenn grosse Wellen in die Schweiz kommen, sind wir langsam am Ende mit unserer Kapazität», sagt der Sozialdirektor.
Kritik an Unterbringung in Zivilschutzanlagen
Personen unterirdisch in Zivilschutzanlagen unterzubringen, wird teilweise heftig kritisiert. Es sei menschenunwürdig, dort leben zu müssen. Schon gar nicht über eine längere Zeit. «Es ist besser, ein Dach über dem Kopf zu haben als keines», sagt Schnegg zur Kritik. Er hätte auch lieber oberirdische Unterkünfte, aber das sei nicht so einfach, wie er betont.
Der Kanton Bern betreibt derzeit 42 Kollektivunterkünfte, 27 mehr als vor zwei Jahren. Dort sind derzeit rund 8000 Menschen aus der Ukraine mit Schutzstatus S untergebracht, 6300 Personen aus dem regulären Asylwesen und rund 520 unbegleitete Minderjährige.
Asylgesuche nehmen zu
Insgesamt habe man noch gut 700 Plätze frei. Mit einem Zusammenrücken in den bisherigen Unterkünften und der Eröffnung der vier Notunterkünfte habe Bern noch Reserven bis Ende Jahr. Weiterhin kämen aber viele Schutzsuchende aus der Ukraine in die Schweiz und auch Asylsuchende vor allem aus Afghanistan, Syrien, Eritrea und der Türkei.
Es wird nötig, Massnahmen zu ergreifen.
Damit die Leute nicht auf der Strasse landen würden, benötige der Kanton bis im Frühling 2024 zusätzlich zu den Notunterkünften weitere 1200 Plätze. «Es wird immer enger werden und ich glaube, es wird nötig, dass wir gewisse Massnahmen ergreifen», mahnt der bernische Sozialdirektor.
Schnegg will Gemeinden in die Pflicht nehmen
Neue Unterkünfte zu finden, sei schwieriger geworden, so die Behörden. Sollten keine neuen Plätze mehr bereitgestellt werden können, müsse man die Notlage ausrufen. Bei einer Notlage würden Gemeinden gezwungen, Geflüchtete abhängig von ihrer Bevölkerungszahl anzunehmen. Die Geflüchteten würden dann über den ganzen Kanton verteilt.
Der bernische Sozialdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) geht noch weiter und nutzte die Gelegenheit, mehrere Forderungen an den Bund zu stellen – jene, die auch seine Partei fordert. So müssten die Regeln für den Familiennachzug überarbeitet werden – bis es so weit sei, solle der Familiennachzug ganz ausgesetzt werden.
Oder die Schweiz solle Artikel 55 der Asylgesetzgebung anwenden und die Asylgründe einschränken, so die Forderungen. Das habe nichts mit Wahlkampf zu tun, betont er. «Wir müssen Kapazitäten haben, für die Leute, die wirklich bedroht sind.»
Er verstehe gewisse Ängste gegenüber Asylunterkünften. Es gebe aber genug Beispiele von Gemeinden, wo das Zusammenleben gut funktioniere. Es gelte, das Problem gemeinsam zu lösen.