Der Alarm auf dem Handy von Christian Bieri kann im Moment jederzeit losgehen. Auch wenn er weiss, dass die Unwetter immer Einsätze auslösen können, ist die Lage bei seiner Feuerwehr Wohlensee Nord im Berner Mittelland angespannt.
Bei einem Unwetter wisse man nämlich nie, was man vor Ort antreffe, sagt Bieri: «Muss man noch Leute retten? Oder muss man warten, um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, wenn bei Wasser im Keller der Strom noch läuft oder es im Wald noch windet?»
Die Feuerwehr Wohlensee Nord ist komplett im Milizsystem aufgebaut – jede Feuerwehrfrau, jeder Feuerwehrmann leistet die Einsätze nebenberuflich. Zeitweise seien wegen der Unwetter in den letzten Tagen 50 Leute im Einsatz gewesen, die halbe Belegschaft. Im ganzen Kanton Bern waren von den 150 Feuerwehrorganisationen 110 wegen der Unwetter im Einsatz, über 2500 Einsätze wurden geleistet, was einem Viertel der jährlichen Einsätze entspricht.
Oft hätten sie es mit umgeknickten Bäumen und Ästen zu tun, sagt Bieri. Dabei habe ein Baum einmal auch ein Auto getroffen, in dem eine Frau sass. Sie kam ums Leben. Keine einfache Situation für die Feuerwehrleute. «Das nagt. Zum Teil kennt man die Leute, weil viele von hier kommen.»
Es kommt auch mal zu Handgreiflichkeiten
Bei den vielen Meldungen müssen einige Betroffene länger warten, bis ihre Liegenschaft ausgepumpt wird. Nicht alle hätten dafür Verständnis, sagt Bieri: «Es kommt vor, dass Leute direkt zum Magazin kommen. Das sind nicht immer schöne Gespräche.» Auch auf Platz komme es vor, dass unschöne Wörter fielen oder es gar zu Handgreiflichkeiten komme.
Diese Entwicklung beobachten wir mit Sorge.
Immer häufiger müsse man die Betroffenen zuerst beruhigen, sagt auch Martin Ryser, Kreisfeuerwehrinspektor Emmental Süd. Die Feuerwehr könne nicht überall gleichzeitig sein - was nicht alle Betroffenen einsähen.
«Diese Entwicklung beobachten wir mit Sorge», sagt der bernische Feuerwehrinspektor Peter Frick. «Wir appellieren an die Bevölkerung, Eigenverantwortung zu übernehmen und bei einigen wenigen Zentimetern Wasser nicht gleich die Feuerwehr zu alarmieren, sondern selbst einen Wassersauger zu nehmen.»
Ferienzeit ist eine Herausforderung
Immerhin seien die Arbeitgeber verständnisvoll, wenn Angestellte, die in der Milizfeuerwehr aktiv sind, wegen Unwetter-Einsätzen den Arbeitsplatz räumen müssten, heisst es bei den Feuerwehren. Bei Unwettern seien eben alle froh, wenn sie auf Hilfe zählen könnten, sagt Kreisfeuerwehrinspektor Martin Ryser. Aber: «Je häufiger dies vorkommt, desto schwieriger wird es.» Die grösste Herausforderung sei derzeit aber die Ferienzeit. «Viele sind verreist. Das Kommando muss gut schauen, wer wann da ist.»
Dennoch: Das Miliizsystem sei nicht am Anschlag, sagt Feuerwehrinspektor Peter Frick. Er wirft gar die These auf: «Dank des Milizsystems können wir solche grossen Unwetter bearbeiten. Mit einem reinen Berufssystem hätten wir viel zu wenig Ressourcen.»
Feuerwehrleute sind müde, aber motiviert
Trotzdem berichten einige Feuerwehren - zum Beispiel jene aus Burgdorf - dass zeitweise jede verfügbare Kraft im Einsatz stand. Laut Frick mache es aber keinen Sinn, mehr Feuerwehrleute zu rekrutieren, die es in 90 Prozent der Fälle nicht brauche. Wichtiger sei es, Partnerorganisationen einzubinden: «Wenn man daran denkt, den Zivilschutz rechtzeitig aufzubieten, haben wir noch genügend Mittel.»
Bei den Feuerwehren heisst es, ihre Leute seien zwar müde, die Stimmung sei aber noch gut. «Wir machen das, wofür wir ausgebildet sind und Herzblut haben», sagt Martin Ryser.