- Vier Jahre lang operierte das AKW Leibstadt mit Brennelementen, welche Produktionsfehler aufweisen.
- Erst durch den Hinweis des Lieferanten wurde das Problem entdeckt.
- Sechs fehlerhafte Brennelemente konnten inzwischen entfernt werden, weitere 16 können nicht eingebaut werden.
- Frühestens Ende Jahr kann das AKW wieder ans Netz gehen.
Hersteller der fraglichen Brennelemente ist der französische Staatskonzern Areva. Er bestätigte gegenüber SRF, dass bei der Fabrikation von Brennelementen undichte Hüllrohre festgestellt wurden. Danach sei der Herstellungsprozess für Hüllrohre im Werk Paimboeuf untersucht worden.
«Bei der Werkstation für die Ultraschall-Überprüfung trat sporadisch ein Computerfehler auf, der dazu führte, dass fehlerhafte Hüllrohre in den Produktionsprozess gelangten, statt ausgemustert zu werden», schreibt Areva. Die Firma habe die betroffenen Kunden sofort informiert.
Sporadischer Computerfehler
Das AKW Leibstadt hat insgesamt acht der Areva-Brennelemente aus dem Reaktor entfernt, neben den sechs fehlerhaften «vorsorglich» auch noch zwei weitere, wie die Pressestelle des AKW Leibstadt mitteilt. Sie schreibt weiter: «Es muss nachdrücklich betont werden, dass auch die betroffenen Brennelemente, welche bereits seit drei bzw. vier Betriebszyklen im Einsatz standen, einwandfrei und ohne Befunde funktionierten.»
Dass es beim Einsatz der Brennelemente zu keinem Leck gekommen sei, ist für den Physiker Michael Sailer kein Argument. Sailer ist Leiter des Öko-Instituts Darmstadt und ein Mitglied der Internationalen Expertengruppe für Reaktorsicherheit der Schweizer Aufsichtsbehörde Ensi. «Die Einhaltung der Herstellungsspezifikationen ist deshalb wichtig, weil die Brennelemente nicht nur im Normalbetrieb einwandfrei funktionieren müssen, sondern auch bei Auslegungsstörfällen», sagt er gegenüber «10vor10».
Betroffen sind 16 weitere neue Brennelemente, welche Areva dieses Jahr an Leibstadt geliefert hat, und die jetzt nicht wie geplant eingesetzt werden können. Fehlerhafte Brennelemente in einem AKW zu verwenden, ist nicht gestattet.
Die Aufsichtsbehörde Ensi schreibt: «Die Brennelemente und deren Einzelkomponenten müssen die Anforderungen der Fertigungsdokumente (aufgeführt in Zeichnungen und Spezifikationen) erfüllen.» Gemäss den Vorschriften des Ensi ist das jeweilige AKW dafür zuständig, dass bei der Herstellung der Brennelemente die technischen Anforderungen eingehalten werden und das Qualitätsmanagement des Lieferanten überprüft wird. Dem Ensi wiederum obliegt die Prüfung dieses Managementsystems der AKWs.
Prüfprozesse prüfen
Die Verantwortlichen des AKW Leibstadt verweisen bezüglich den Produktionsfehlern zuerst auf die Verantwortung des Herstellers Areva: «Die kontinuierliche Qualitätssicherung innerhalb des laufenden Fertigungsprozesses liegt ausschliesslich in der Verantwortung des Lieferanten. Das AKW Leibstadt ist daran interessiert, dass die Qualitätsstandards stets eingehalten werden. Das AKW wird darum prüfen, wie es die Prüfprozesse besser überwachen und darauf stärker Einfluss nehmen kann,» schreibt Leibstadt an SRF.
Internationale Dimension
Brennelemente bestehen aus Bündeln von Brennstäben, in denen wiederum das spaltbare Uran enthalten ist. Die Hüllrohre der Brennstäbe sind die erste Barriere gegen den Austritt von Radioaktivität ins Kühlwasser.
Leibstadt ist nicht das einzige Atomkraftwerk, das von den fehlerhaften Areva-Brennelementen betroffen ist. Das AKW im bayrischen Gundremmingen hat zur Zeit noch zwei der mangelhaften Brennelemente vom Typ Areva Atrium 11 im laufenden Reaktor, wie die Betreiberin RWE gegenüber SRF bestätigt. Und das AKW im finnischen Olkiluoto ist zur Zeit daran, Brennelemente desselben Typs in seinem Lager zu überprüfen. Leibstadt plant, seinen Reaktor Ende Jahr wieder hochzufahren. Bis dann entgehen dem Werk und seinen Aktionären jeden Tag Einnahmen von rund einer Million Franken.
Es ist das zweite Mal innert kurzer Zeit, dass Leibstadt von Problemen mit Brennelementen betroffen ist. Vom August 16 bis im Februar 17 stand das Werk bereits still, weil sogenannte «Dryouts» aufgetreten waren, bei denen Brennstäbe innert kurzer Zeit stark oxidierten. Deswegen machte das Ensi Leibstadt dieses Jahr die Auflage, den Reaktor nur noch mit verringerter Leistung zu fahren. Die Brennelemente, die vom Dryout-Problem betroffen waren, stammten aber offenbar nicht von Areva, sondern vom Konkurrenten Westinghouse.