Ein polizeibekannter Straftäter schiesst am Weihnachtsmarkt in Strassburg um sich und tötet drei Menschen. Am Tag darauf zeigt sich: Der Mann war auch in der Schweiz in Haft. In Frankreich figurierte der mutmassliche Täter seit zwei Jahren auf einer Liste für Gefährder.
Nun fordert Werner Salzmann, Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission im Nationalrat: Der Datenaustausch zwischen der Schweiz und den europäischen Ländern muss verbessert werden. Dass Attentate wie in Strassburg weiterhin möglich seien, zeige, dass nicht genug getan werde.
Im Gespräch mit SRF News äussert sich die Chefin des Bundesamtes für Polizei (fedpol) zur Kritik. Nicoletta della Valle stellt klar: Das Schengener Informationssystem (SIS) sei für die schweizerischen und europäischen Polizeibehörden das wichtigste Fahndungsinstrument – von der Kindsentführung über Autodiebstahl bis hin zur Einreisesperre krimineller Ausländer: «In all diesen Fällen hat jeder Polizist von Norwegen bis Sizilien Zugriff auf diese Informationen.»
Della Valle bestätigt: Auch der mutmassliche Attentäter von Strassburg war im SIS ausgeschrieben. Der Mann sei in mehreren Ländern als notorischer Straftäter für «gemeine Delikte» wie Körperverletzung und Diebstähle bekannt gewesen.
Für Terrororganisationen wie den IS seien diese Leute interessant, weil sie keine Hemmungen mehr hätten, Gewalt anzuwenden: «Forscher haben festgestellt, dass unter den Attentätern der letzten Jahre ein grosser Anteil sogenannt Kleinkrimineller mit Gewaltpotenzial ist.»
Wenn Ganoven «kippen»
Die entscheidende Frage sei: Wie kann man herausfinden, wann ein Kleinkrimineller «kippt», sich also radikalisiert? Es gelte, dieses Radikalisierungspotenzial zu erkennen. Ein Vermerk in einer Datenbank über Straftäter genüge dafür nicht: «Eine Datenbank ist immer nur so gut, wie die Daten, die darin enthalten sind.»
Terrorismusbekämpfung sei keine alleinige Sache der Polizei. Wie schon im aktuellsten fedpol-Jahresbericht fordert della Valle einen «globalen Ansatz». Vor allem präventiven Massnahmen misst sie dabei grosse Bedeutung zu: «Man muss hinschauen – und zwar überall. Auch in den Gefängnissen.»
Wenn ein Täter bei der Polizei ankommt, ist es im Grunde zu spät.
Die Polizei könne erst reagieren, wenn die Radikalisierung schon fortgeschritten sei. Etwa dann, wenn Anschlagspläne konkrete Formen annehmen. Nicht ohne Grund würden die Kantone Sensibilisierungskampagnen an Schulen oder in Gefängnissen durchführen: «Ich habe schon oft gesagt: Wenn ein Täter bei der Polizei ankommt, ist es im Grunde zu spät. Dann haben ganz viele im Vorfeld nicht hingeschaut.»
Aus gesetzgeberischer Perspektive zählt della Valle derzeit auf das Bundesgesetz über präventivpolizeiliche Massnahmen. Es sei eine Verschärfung des Strafgesetzbuches angedacht. «Am Ende des Tages zählt aber Kooperation – international wie national. Und diesbezüglich haben wir uns in den letzten Jahren massiv verbessert», schliesst die fedpol-Chefin.