Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt erstmals ein Medikament, um schweren Covid-19-Verläufen vorzubeugen. Es soll bei Risikopatientinnen und -patienten eingesetzt werden. Hergestellt wird es vom US-Unternehmen Regeneron und von Roche. Das Medikament wird bereits seit August in der Schweiz eingesetzt, zum Beispiel am Universitätsspital Zürich. Der Infektiologe Nicolas Müller hat gute Erfahrungen damit gemacht. Man müsse es aber früh verabreichen.
SRF News: Seit August wird der Antikörper-Cocktail, an dem Roche beteiligt ist, bei Ihnen eingesetzt. Welche Erfahrungen machen Sie?
Nicolas Müller: Wir haben am Unispital Zürich gute Erfahrungen damit gemacht. Es ist beim einzelnen Patienten natürlich immer schwierig zu beurteilen, aber wir konnten es doch einigen Patientinnen und Patienten geben, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf hatten. Sie haben das Medikament auch sehr gut vertragen.
Wie steht es um die Nebenwirkungen?
Es gibt sehr wenige Nebenwirkungen. Es ist eine kurze Infusion: Wenn man sie ambulant gibt, ist man ungefähr eineinhalb Stunden im Spital und wird überwacht. Wir hatten keine grossen Probleme damit.
Wie sind die Erfolgschancen dieses Medikaments?
Wie immer ist es so, dass das Medikament nicht bei jedem Patienten automatisch den erhofften Erfolg bringt. Aber Studien haben gezeigt, dass bei Patienten, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf haben, die also Risikofaktoren haben für einen schweren Verlauf nach einer Infektion mit Covid-19, dieses Risiko deutlich gesenkt wird.
Wenn sie das Medikament bekommen, kann man unter Umständen den Aufenthalt auf der Intensivstation damit verhindern.
Das heisst, die Patienten müssen teilweise nicht ins Spital, wenn sie ambulant sind. Oder wenn sie im Spital das Medikament bekommen, kann man unter Umständen auch den Aufenthalt auf der Intensivstation damit verhindern. Und jeder Patient, der nicht ins Spital muss, ist ein Gewinn fürs Gesundheitssystem, aber auch für den Patienten selbst.
Es gibt Kriterien, bei wem dieses Medikament zum Einsatz kommt. Welche Patientinnen und Patienten können davon profitieren?
Wir haben die Kriterien zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie, der Clinical-Care-Expertengruppe, der Science-Task-Force und dem BAG bestimmt. Es sind im Wesentlichen Patienten, die kürzlich infiziert wurden. Das Medikament nützt im späten Verlauf nichts mehr. Man muss es wirklich früh geben. Es ist nicht ein Medikament, dass man breitflächig einsetzen möchte, sondern bei bestimmten Patienten.
Die WHO empfiehlt nun dieses Medikament. Was bedeutet das für Sie als Infektiologen, der das Medikament bereits eingesetzt hat?
Es bestätigt uns in unserer bisherigen Gangart. Wir sind sehr froh, dass das BAG dieses Medikament schon früh zur Verfügung stellen konnte. Es ist ja ein Medikament, das noch nicht offiziell zugelassen ist, aber die Daten waren doch so vielversprechend, dass wir es im Einzelfall einsetzen können. Diese Empfehlung der WHO bestärkt uns, dass es ein Medikament ist, das in der Pandemie eine wichtige Rolle spielen könnte.
Das Medikament nützt im späten Verlauf nichts mehr. Man muss es wirklich früh geben.
Therapien wie diese sind teuer. Was können Sie dazu sagen?
Es sind teure Medikamente. Deshalb gibt man sie auch ganz gezielt den Patienten, die wirklich davon profitieren. Dafür haben wir eine Kriterienliste. Aber das Problem ist die gerechte Verteilung. Wer bekommt das Medikament? Es ist das gleiche Problem wie mit den Impfungen. In der Schweiz haben wir sicher genug davon, aber weltweit wird es schwer, das Medikament allen, die es benötigen, bereitzustellen.
Das Gespräch führte Manuel Ramirez.